Tolu bei einer Pressekonferenz von Reporter ohne Grenzen im September in Berlin.

Foto: imago/Reiner Zensen

Istanbul – Nur knapp zwei Monate nach ihrer Ausreise fliegt die wegen Terrorvorwürfen in der Türkei angeklagte deutsche Journalistin Mesale Tolu zur Fortsetzung ihres Prozesses zurück in die Türkei. Der Prozess beginne an diesem Dienstag um 11.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr MESZ) – "und ich werde hinreisen", sagte die aus Ulm stammende Tolu am Montag der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Tolu wolle sich persönlich gegen alle Vorwürfe verteidigen und Freispruch beantragen. Sie sagte weiters, sie werde mit ihrem Erscheinen vor Gericht in Istanbul auch ihrem ebenfalls angeklagten Mann Suat Corlu zur Seite stehen. Zur Verhandlung selbst wollte sich Tolu "aus Sicherheitsgründen" nicht äußern. Ihre Anwältin Kader Tonc sagte der dpa, sie erwarte am Dienstag kein Urteil.

Sieben Monate Untersuchungshaft

Der 33-jährigen Tolu wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen – gemeint ist die linksextreme Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei MLKP. Die Journalistin und Übersetzerin war Ende April 2017 in Istanbul festgenommen worden und saß mehr als sieben Monate lang in Untersuchungshaft. Im Dezember kam sie zwar frei, ihre Ausreisesperre wurde jedoch erst Monate später aufgehoben. Ende August kehrte Tolu dann mit ihrem dreijährigen Sohn nach Deutschland zurück. Ihrem Mann, der türkischer Staatsbürger ist, wurde die Ausreise bisher verwehrt.

"Es wird höchste Zeit, Mesale Tolu von den absurden Terrorvorwürfen freizusprechen und die Ausreisesperre gegen ihren Mann aufzuheben", sagte der Geschäftsführer der Organisation Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr. "Ihr angebliches Verbrechen ist kritischer Journalismus, den Präsident Erdogan mit beispielloser Härte unterdrückt."

Teilnahme am Sonntag entschieden

Die endgültige Entscheidung, persönlich an dem Verfahren teilzunehmen, sei am Sonntag nach Rücksprachen mit ihren Anwälten getroffen worden, sagte der Sprecher von Tolus Unterstützergruppe, Cengiz Dogan. Die Juristen seien der Meinung, dass keine Gefahr einer erneuten Festnahme der deutschen Staatsbürgerin bestehe. Sollte dies doch geschehen oder sollte sie in dem Gerichtsverfahren eine Gefängnisstrafe erhalten, werde der Solidaritätskreis "Freiheit für Mesale Tolu" in Deutschland erneut Protestaktionen organisieren.

Tolu hatte in Istanbul für die linke Nachrichtenagentur Etha gearbeitet. Ihr Fall hatte im vergangenen Jahr die Beziehungen der Türkei zu Deutschland schwer belastet – ebenso wie die Inhaftierung des "Welt"-Reporters Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudtner. Beide sind inzwischen ebenfalls frei und zurück in Deutschland.

Noch immer sitzen nach offiziellen Angaben jedoch fünf Deutsche aus politischen Gründen in türkischen Gefängnissen. Darunter ist der Kölner Adil Demirci, der ebenfalls für die Agentur Etha gearbeitet hatte und dem wie Tolu Mitgliedschaft in der MLKP vorgeworfen wird. Diese gilt in der Türkei als Terrororganisation. (APA, dpa, 15.10.2018)