Unter Sebastian Kurz ist die Zahl der ÖVP-Wähler gestiegen.

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Ein Jahr ist vergangen seit dem Wahltag 2017, und rechtzeitig zu diesem Anlass wurden jüngst die Daten der Autnes-Multimode-Panelstudie 2017 öffentlich verfügbar gemacht. Es handelt sich dabei um die größte (N = 3.908!) frei zugängliche Datenquelle zum Wahlverhalten bei der Nationalratswahl 2017. Grund genug, damit ausgerüstet eines der zentralen Phänomene dieser Wahl zu beleuchten: die Zugewinne der Volkspartei unter Sebastian Kurz, die die Grundlage für den Regierungswechsel von Rot-Schwarz zu Türkis-Blau bildeten.

Ob es sich bei der von Kurz ausgerufenen "Neuen Volkspartei" mehr um ein simples Rebranding oder um einen genuinen Wandel der ÖVP handelt, kann heute wohl noch nicht abschließend bewertet werden. Dennoch können wir einen vergleichenden Blick auf die alten und die neuen Wähler der ÖVP werfen.

Die oben genannten Autnes-Daten erfragen nämlich nicht nur das Wahlverhalten von 2017, sondern auch jenes von 2013. Somit kann man die ÖVP-Wählerschaft in drei Gruppen teilen: jene, die nur 2013 ÖVP gewählt haben ("alte"), jene, die das sowohl 2013 als auch 2017 getan haben ("loyale"), und jene, die nur 2017 ihr Kreuz bei der Volkspartei gemacht haben ("neue").

Diese Herangehensweise hat allerdings ihre methodischen Tücken. Viele Leute können (oder wollen) sich nicht genau an ihr vier Jahre zurückliegendes Wahlverhalten erinnern. Zum Beispiel kann sich nur ein Prozent der Befragten daran erinnern, im Jahr 2013 Team Stronach oder BZÖ gewählt zu haben, obwohl diese beiden Parteien gemeinsam über neun Prozent der Stimmen bekommen haben. Es gibt Evidenz dafür, dass diese Personen dazu tendieren, statt ihrer damaligen ihre heutige Parteipräferenz anzugeben. Da viele dieser Wähler zu ÖVP oder FPÖ gewandert sein dürften, kann das die Unterschiede zwischen "alten" und "neuen" ÖVP-Wählern geringer aussehen lassen, als tatsächlich der Fall ist.

Die Grafik oben zeigt nun alte, loyale und neue ÖVP-Wähler anhand einiger Einstellungs- und demografischer Merkmale. Neu hinzugekommene ÖVP-Wähler sehen etwa die EU-Mitgliedschaft Österreichs kritischer und haben auch negativere Einstellungen zur Migration (vor allem im Vergleich zu den Schwarz-Wählern von 2013). Dass der Sozialstaat träge und faul mache, findet bei alten ÖVP-Wählern (also jenen, die angeben, 2017 die Volkspartei nicht mehr gewählt zu haben) nur zu einem Drittel Zustimmung, bei loyalen und neuen Wählern hingegen zur Hälfte.

Zudem sind neue ÖVP-Wähler seltener in der Kirche anzutreffen als alte und loyale. Das formale Bildungsniveau sinkt von alten zu loyalen und von loyalen zu neuen ebenso jeweils um ein paar Prozentpunkte ab.

Die Wählerschaft der ÖVP ähnelt also heute etwas stärker jener der FPÖ, als das noch 2013 der Fall war. Größere Skepsis gegenüber Migration und EU, geringere Religiosität und formale Bildung – all das sind schon länger typische Charakteristika der freiheitlichen Wählerschaft. Dazu passt, dass die ÖVP zumindest nach Meinung vieler Beobachter auch inhaltlich eine Annäherung an die FPÖ vorgenommen hat (siehe aber hier für einen differenzierten Blick). Aber auch wenn sämtliche programmatischen Neupositionierungen der ÖVP unter Sebastian Kurz rein strategischer Natur waren, dann verstärken die neu gewonnenen Wählergruppen die Anreize für die ÖVP-Spitze, diesem Kurs treu zu bleiben. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 16.10.2018)