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Auch unter Kindern gibt es eine Hierarchie nach sozialem Status. In Armut lebende Kinder haben es besonders schwer.

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Jedes zweite Kind in Österreich, das in Armut lebt, ist als Erwachsener selbst auf Sozialhilfe angewiesen. Oder umgekehrt formuliert: Jedes einzelne Kind, das aus der Armut befreit wird, verringert die Zahl der späteren Mindestsicherungsbezieher.

Abgesehen von ethischen Gründen gibt es also auch triftige ökonomische Faktoren, die für einen Kampf gegen Kinderarmut sprechen. Und hier zeigt sich die Volkshilfe Österreich nun hoffnungsfroh: Nicht nur reduzieren, sondern sogar "abschaffen" lasse sich die Kinderarmut in Österreich, wenn man entsprechend Geld in die Hand nehme.

Die Volkshilfe legt hat mit Forschern vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung ein Modell dafür erstellt. Und das sieht Folgendes vor:

Monatlicher Fixbetrag

Jedes Kind soll eine monatliche Kindergrundsicherung von durchschnittlich 334 Euro erhalten, die fast alle bisherigen Familiengeldtransfers ersetzt. Damit Arme davon stärker profitieren als Reiche, gibt es einen Sockelbetrag von 200 Euro, den alle Kinder erhalten, und darüber hinaus einen einkommensabhängigen Betrag. Familien mit einem Einkommen von 20.000 Euro jährlich oder darunter erhalten die volle Grundsicherung: Insgesamt 625 Euro sind das pro Kind und Monat (bestehend aus 200 Euro Sockel und 425 Euro variabler Auszahlung).

Zwischen 20.000 und 35.000 Euro wird der einkommensabhängige Betrag schleifend abgesenkt. Familien mit einem Jahreseinkommen ab 35.000 Euro erhalten nur 200 Euro pro Kind.

Ärmere kriegen mehr

Das Modell der Volkshilfe stützt sich auf ein anderes Denken als heutige Familiensozialleistungen. Erstens gibt es keine Mehrkindzuschläge – jedes Kind einer Familie erhält inflationsbereinigt gleich viel, egal ob Erstgeborene oder Nachzügler. Zudem werden Steuerbefreiungen und Absetzbeträge abgeschafft, weil Besserverdiener davon stärker profitieren als Geringverdiener.

Der Fleckerlteppich an unterschiedlichen Transferleistungen soll zusammengefasst werden. Das betrifft auch die Kinderzuschläge in der bedarfsorientierten Mindestsicherung – auch sie würden wegfallen. Die Grundsicherung ist für Niedrigverdiener aber so hoch angesetzt, dass dieser Wegfall mehr als ausgeglichen würde. Einschnitte müssen in dem Modell hingegen Familien mit hohem Einkommen hinnehmen, da die kindesbezogenen Steuerbefreiungen wegfallen.

Laut Volkshilfe würde die Kindergrundsicherung zwei Milliarden an Mehrausgaben bringen als bisher. "Das ist zwar nicht nichts", gesteht Direktor Erich Fenninger im STANDARD-Gespräch. "Aber wenn man bedenkt, wie viel derzeit für Militär und Polizei zusätzlich ausgegeben wird, ist das vertretbar." Zumal es ihn selbst "überrascht" habe, wie klein der Zusatzbetrag im Vergleich zu den gegenwärtigen Familienausgaben ist: Laut Sozialministerium fließen derzeit rund 9,7 Milliarden Euro in Familientransfers.

Einige Unschärfen gibt es in dem Modell aber: Da die Grundsicherung nur bis zur Volljährigkeit ausbezahlt wird, müssten junge Erwachsene in Ausbildung Einbußen hinnehmen. "Daran arbeiten wir noch", sagt Fenninger. Ein Stipendiensystem könnte diese Lücken ausgleichen. Derzeit gehe es einmal darum, das Modell vorzustellen und eine Debatte darüber auszulösen. (Maria Sterkl, 16.10.2018)