In Kürze erscheint "Red Dead Redemption 2" von Rockstar Games. Gründer Dan Houser gab an, dass das höchste Autoren-Team 100-Stunden-Wochen hatten. In der Videospiele-Branche ein weitverbreitetes Problem.

Foto: Rockstar Games

"Wir haben öfters mehr als 100 Stunden pro Woche gearbeitet" – mit diesen Worten wollte Rockstar-Gründer Dan Houser aufzeigen, wie ernst es das Studio mit dem letzten Feintuning vor dem Release von Red Dead Redemption 2 meint. Spieler werden es den Entwicklern danken, bekommen sie letztlich ein poliertes Spiel serviert. Allerdings beschwichtigt Houser mit der Aussage ein riesiges Problem der Videospiele-Branche – die berüchtigte "Crunch Time".

DER STANDARD

60 Stunden hackeln oder Strafe

Um ja nicht den Release-Zeitpunkt zu verpassen, arbeiten Spiele-Entwickler oftmals monatelang mehr als 60-80+ Stunden pro Woche. Rockstar Games ist berüchtigt für seine knochenharten Arbeitsbedingungen. Bereits 2010 wandten sich Frauen der Spieleentwickler mit einem offenen Brief an das Red Dead Redemption-Studio in San Diego. Von ihren Männern würde man sich "60-Stunden-Wochen" und "12-Stunden-Tage" erwarten – akzeptiert man diese nicht, drohen Disziplinarstrafen.

Die "Crunch Time" wird zelebriert

Die berühmte Spieleschmiede reagierte daraufhin keineswegs selbstkritisch, sondern viel mehr zynisch: "Es tut uns Leid, wenn ehemalige Mitarbeiter die Zeit hier nicht angenehm empfunden haben. Wir wünschen ihnen, dass sie woanders ein Arbeitsklima vorfinden, das besser zu ihnen passt. Der Großteil unserer Firma ist nämlich darauf fokussiert, Spitzen-Entertainment zu liefern". Wie man an Housers Aussage erkennt, hat sich seither also nichts verändert. Es ist vielmehr schlimmer geworden.

Was Jim Sterling zur "Crunch Time" zu sagen hat.
Jim Sterling

Wie es in Österreich aussieht

Dass diese "Crunch Time" nicht sein muss und vielmehr ein Management-Fehler ist, betonen Beobachter schon länger. Auch Rainer Angermann vom österreichischen Spielestudio Rarebyte sieht dies so. Er ist Geschäftsführer des Unternehmens mit zehn Mitarbeitern und kennt es, wenn vor dem Release eines Spiels die Zeit knapp wird oder sich noch einige Bugs eingeschlichen haben. Hier kann es bei dem Studio auch zu Überstunden kommen – generell achtet Angermann aber darauf, dass dies nicht "zum Regelfall wird". "Wir sind der Überzeugung, dass 'Crunch' sich nicht auszahlt, sondern sich eher negativ auf die Qualität der Spiele auswirkt", sagt er.

Ein bekanntes Problem

Tatsächlich gibt es in der Spielebranche aber kaum mehr Entwickler, die noch nie Arbeitsbedingungen wie bei Rockstar Games erlebt haben. Die International Game Developer Association führt dazu jährlich eine internationale Erhebung durch. Dort gaben mehr als 51 Prozent der befragten Entwickler an, dass sie im vergangenen Jahr "Crunch Time"-Arbeitszeiten erlebt haben. Mehr als die Hälfte der Befragte gab außerdem an, dass eine wöchentliche Arbeitszeit jenseits der 50 Stunden gar erwartet wird – eine entsprechende Kompensation gibt es dafür keine.

Die Wurzel des Übels

Eine Besserung ist auch abseits von Rockstar Games nicht in Sicht. Einerseits hat die "Crunch Time" in der Industrie eine lange Tradition und wird von vielen Entwicklern auch als normal gesehen, andererseits gibt es im US-Raum auch keine Arbeitnehmervertreter für die Videospiele-Branche. Mit der Organisation Game Workers Unite gibt es erste Bemühungen in diese Richtung. Die international operierende Gruppe setzt sich für Gewerkschaften bei den größten Spieleherstellern ein. Bislang blieb man damit aber erfolglos.

Ein Ex-Spieleentwickler erzählt über "Crunch Time".
Reboot Develop

Alles ist (nicht) gut

Wenn wie im Falle von Dan Houser Arbeitszeiten weit jenseits der 60 Stunden als Qualitätsmerkmal herausposaunt werden, dürfte sich hier so schnell auch nichts ändern. Ebenso nicht durch die hohe Anzahl an Entwickler, die aufgrund eines Burnouts aus der Branche ausscheiden. Solange der Konsument ein fertiges und poliertes Spiel in der Hand hat, kann das heile Bild der Videospiele-Industrie weiterhin aufrecht erhalten bleiben. (Daniel Koller, 18.10.2018)