Christophe Castaner wird Innenminister.

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Nur keine Experimente, und vor allem: keine weiteren Patzer! Nach dieser Devise scheint Emmanuel Macron am Dienstagmorgen seine neue Regierungsmannschaft – die wie bisher zur Hälfte aus Frauen besteht – gebildet zu haben. Der überraschende Rücktritt seines Weggefährten Gérard Collomb als Innenminister hatte die Staatsspitze vor zwei Wochen in schwere Turbulenzen gestürzt – nach der Affäre um den Elysée-Leibwächter Benalla sowie ein Selfie mit einem den Mittelfinger zeigenden Ganoven.

Mit seiner bereits zweiten Regierung nach seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren geht Macron keine Wagnisse ein. Als neuen Innenminister beruft er Christophe Castaner, einen soliden und loyalen Berufspolitiker, der vor Jahren schon als einer der ersten Sozialisten zu Macron übergelaufen war. Der 52-jährige Südfranzose entstammt nicht den Pariser Eliteschulen, sondern dem Provence-Städtchen Forcalquier, wo er den Ruf eines "kékés" (Maulhelden) hatte.

Mit seinen eher saloppen Sprüchen ist "Casta" aber eher populär. Der bisher sehr subalterne Minister für die Beziehungen zum Parlament hat als Innen- und Polizeiminister auch die schwere Mission der Terrorbekämpfung. Zu diesem Zweck gibt ihm Macron in der Person von Laurent Nuñez einen Staatssekretär zur Seite, der früher den Innengeheimdienst DGSI leitete.

Schwächen bereinigt

Mit der Neubesetzung des Innenministeriums räumt der 40-jährige Staatschef einige Altlasten und Schwachpunkte seiner Regierung aus. Kulturministerin Françoise Nyssen, die durch Immobilienaffären unter Beschuss geraten war, wird durch Franck Riester, einen Überläufer von den konservativen Republikanern, ersetzt. Neue Vorsteher erhalten auch die Ministerien für Landwirtschaft und Raumplanung. Einige Minister wie Mounir Mahjoubi, der für digitale Technologien zuständig ist, retten ihren Kopf. Die sehr mediale Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter, Marlène Schiappa, erfährt trotz massiven Pressings keine politische Aufwertung.

Das Newsportal "Huffington Post" brach die neue Macron-Regierung auf die Formel nieder: "Alles bewegt sich, nichts ändert sich." Andere Kommentatoren heben hervor, dass der Präsident, der sich noch vor kurzem als vorauseilender Reformer inszeniert hatte, heute aus der Defensive handeln muss. Das zeigt allein schon Castaners Berufung: Der politisch anpassungsfähige, aber ehrgeizige Gefolgsmann hatte dem Vernehmen nach dem Staatschef gedroht, ganz aus der Regierung auszuscheiden, wenn er nicht seinen Traumjob als Innenminister erhalte. Macron, der sich auch schon als "Jupiter" wähnte, musste darauf eingehen und damit indirekt seine geschwächte Stellung einräumen.

Politisch unerfahren, fehlten ihm in den letzten zwei Wochen sichtlich valable Namen für die Schlüsselposten seiner Regierung. Das ist ein ziemliches Novum für die Fünfte Republik, in der es sonst nie an Anwärtern für prestigereiche Regierungsposten mangelt.

Umbesetzung in Partei

Castaner wird zudem auch den Vorsitz der Macron-Partei La République en marche (LRM) abgeben müssen. Der Präsident verliert damit einen direkten Draht zu seiner eigenen Formation, die sich in letzter Zeit eher widerspenstig gebärdet. Dabei ist es für Macron von zentraler Bedeutung, die 310 LRM-Abgeordneten in der 577-köpfigen Nationalversammlung an der kurzen Leine zu halten, um seine anstehende, hart umkämpfte Rentenreform durchzubringen.

In Paris zweifeln deshalb viele, ob es Macron mit der Regierungsumbildung gelingen kann, sein politisches und Popularitätstief zu überwinden. Der anfangs so innovative Präsident handelt zunehmend nach den alten Politrezepten, die er überwinden wollte. Statt neue Köpfe mit originellen Ansätzen in die Regierung zu holen, musste er unter anderem die Ministeransprüche seines Juniorpartners François Bayrou befriedigen – der seit den 80er-Jahren in der französischen Politik mitmischt.

Rücksicht musste der junge Staatschef aber auch auf Premier Edouard Philippe nehmen, der in den Meinungsumfragen auf einen Sympathiewert von 55 Prozent kommt, fast doppelt so viel wie Macron (29 Prozent). Dieser Umstand soll in der täglichen Zusammenarbeit für etliche Friktionen sorgen. Sie sind durch die neue Ministerliste kaum beseitigt worden. Alles in allem ist dem politisch angeschlagenen Präsidenten mit der Regierungsumbildung wohl kaum der Befreiungsschlag gelungen, den er damit angestrebt hat. (Stefan Brändle aus Paris, 16.10.2018)