Zwei Wochen nach dem Verschwinden von Jamal Khashoggi hat die türkische Führung detaillierte Informationen über die Ermordung des prominenten saudischen Journalisten im Büro des Generalkonsuls von Saudi-Arabien in Istanbul gestreut. Ankara gab insbesondere Mitschnitte von Tonaufnahmen der Ermordung Khashoggis an einige der gelenkten Zeitungen in der Türkei weiter, teilte aber auch mit Vertretern renommierter internationaler Medien außerordentlich abstoßende Einzelheiten über das offensichtliche Verbrechen, das am 2. Oktober im saudischen Konsulat stattfand.

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Türkische Ermittler durchsuchten die Residenz des saudi-arabischen Konsuls in Istanbul. Das Medieninteresse an dem Fall ist groß.
Foto: AP/Emrah Gurel

Khashoggis Ermordung dauerte demnach sieben Minuten. Ein Verhör des 59-Jährigen fand nicht statt. Der Journalist, ein moderater Kritiker der derzeitigen saudi-arabischen Führung und ein Kolumnist der "Washington Post", soll im Büro des Generalkonsuls von seinen Mördern auf den Schreibtisch bugsiert und zerteilt worden sein. Dies berichtete am Mittwoch etwa die Website "Middle East Eye" unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise. Khashoggi verstummte, als ihm möglicherweise eine Giftspritze injiziert wurde.

Unklar ist, wie die türkische Seite zu dem Audiomaterial kam. Dessen Existenz war schon Tage vorher von der türkischen Führung gerüchteweise in Umlauf gebracht worden. Mutmaßungen, Khashoggi habe eine Smartwatch am Handgelenk getragen, welche seine letzten Momente aufgezeichnet hätte, stehen technische Einwände entgegen. Plausibler scheint derzeit, der türkische Geheimdienst hatte schlicht Abhörwanzen im saudischen Konsulat installiert. US-Präsident Donald Trump, der tags zuvor noch die Saudis verteidigt hatte, sagte am Mittwochabend, er wolle ebenfalls die Aufnahme hören um sich, "sofern es sie gibt", ein Bild machen zu können.

König weiß von nichts

Die Enthüllungen der türkischen Führung über den Mord an Khashoggi bringen das saudische Königshaus in eine unhaltbare Situation. Sowohl König Salman als auch der faktische Machthaber des Landes, der junge Kronprinz Mohammad bin Salman, haben sich festgelegt, nichts über das Schicksal Khashoggis zu wissen. Die Beteiligung ihrer Regierung an einem Verbrechen gegen den Journalisten, der frühere ranghohe Vertreter des saudischen Königshauses beriet, schlossen sie aus.

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Doch mindestens neun Männer des 15-köpfigen Mordkommandos, das in Privatjets nach Istanbul gekommen war, arbeiten nach Informationen der "New York Times" für den Sicherheitsdienst, das Militär oder für andere saudische Regierungsbehörden. Vier Männer werden den Leibwächtern des Kronprinzen zugerechnet. Einer von ihnen, Maher Abdulaziz Mutreb, hat einen Diplomatenstatus und wurde mehrfach bei Auslandsreisen von Kronprinz Muhammad bin Salman fotografiert. Als das mutmaßliche Killerteam am 2. Oktober in Istanbul landete, nahm die türkische Grenzpolizei routinemäßig die Personalien auf.

Zwei Wochen lang hat Saudi-Arabien das Verschwinden des Journalisten Jamal Khashoggi geleugnet. Unter anderem darüber berichtet ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary aus Kairo.
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Khashoggis Zerstückelung führte nach Erkenntnis der türkischen Ermittler der Leiter der Forensikabteilung der saudischen Staatssicherheit durch. Salah Muhammad al-Tubaigy war ebenfalls an Bord eines der Privatjets. Während der Ermordung Khashoggis soll er Ohrhörer getragen haben und dies laut Tonmitschnitt auch den anderen Männern im Raum empfohlen haben. Alle türkischen Bediensteten im saudischen Konsulat hatten am 2. Oktober plötzlich arbeitsfrei. Khashoggi, der einen Termin zur Abholung von Dokumenten hatte, war in einen geplanten Hinterhalt geraten.

Generalkonsul Mohammed al-Otaibi soll aus seinem Büro gegangen sein, als die Männer mit der Ermordung Khashoggis begannen. Am Dienstag hatte sich Otaibi rasch nach Riad abgesetzt. Türkische Ermittler, die mit Einwilligung der saudischen Regierung das Konsulat untersuchten, fanden offenbar Spuren der Mordtat. Am Mittwoch gab die saudische Regierung die Ablösung Otaibis und seine Untersuchung an. Offenbar versucht Riad, die Verantwortung für Khashoggis Ermordung dem Konsul anzuhängen. (Markus Bernath, 17.10.2018)