Südtirols Landeshauptmann Kompatscher sucht einen Partner.

Foto: Imago / Roland Mühlanger

Wenn Südtirol am Sonntag einen neuen Landtag wählt, wirkt die Frage nach dem Sieger überflüssig. Dass die Südtiroler Volkspartei (SVP) erneut deutlich gewinnt, steht außer Zweifel. Unklar bleibt nur das Ausmaß. Die Hoffnung, die vor fünf Jahren verlorene absolute Mehrheit zurückzuerobern, wird sich kaum erfüllen.

Schon die Erstellung der Listen erwies sich als konfliktreich. Interne Divergenzen und Rücktritte zwangen die SVP, die Präsentation ihrer 35 Kandidaten kurzfristig abzusagen. Die Kür der Bewerber geriet so zum Balanceakt zwischen Bezirken und Verbänden, die auf ihr Vertretungsrecht pochten. So sind etwa die Bauern – in der Bevölkerung eine kleine Minderheit – hier überrepräsentiert.

Am Sonntag wird in Südtirol ein neuer Landtag gewählt. Am Montagabend stellten sich acht der 14 Spitzenkandidaten im Waltherhaus in Bozen einer Diskussion.
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Freilich könnte die Sammelpartei auch mit absoluter Mehrheit nicht allein regieren – die Autonomieregelung macht die Beteiligung aller drei Sprachgruppen an der Landesregierung zur Pflicht. Einige Ladiner aus den Dolomitentälern hat die SVP daher stets auf ihrer Liste. Nur der obligatorische Italiener muss aus einer anderen Partei kommen. Der angeschlagene sozialdemokratische Partito Democratico kommt dafür kaum mehr infrage. Vieles spricht dafür, dass der PD hier von der stramm rechten Lega abgelöst wird.

Nur noch ein Alibiitaliener

Die italienische Sprachgruppe blickt mit Besorgnis auf die Wahl. Die Zahl ihrer Abgeordneten ist innerhalb von zehn Jahren von 23 auf 14 Prozent gesunken. In der Landesregierung saß zuletzt nur noch ein einziger Alibiitaliener. Die ethnischen Gegensätze werden vom üppigen Wohlstand übertüncht. Es herrscht Vollbeschäftigung, der Fremdenverkehr boomt, das Sozialprodukt wächst unaufhörlich. Doch unter der stets gepflegten Oberfläche gedeihen ethnische Animositäten. Ein deutliches Indiz dafür ist die Unzahl verschmierter oder "korrigierter" Hinweisschilder auf den mehrsprachigen Wanderwegen, auf denen viele ihren Frust unbeobachtet abreagieren.

Einen autonomiefreundlichen Italiener auf ihre Liste zu setzen kommt der SVP nicht in den Sinn. Sie fürchtet die Propaganda der Rechtsparteien, deren antiitalienischer Kreuzzug sich im Landtag in einer Flut von Anfragen und Anträgen niederschlägt. Darin werfen etwa Abgeordnete der Südtiroler Freiheit der Biathletin Dorothea Wierer "landesschädigendes Verhalten" vor, weil sie sich im italienischen Team wohlfühlt.

Wahlhilfe aus Wien und Rom

Im Wahlkampf wurde Südtirol Tummelplatz italienischer und österreichischer Spitzenpolitiker. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützte "die Schwesterpartei SVP", und die Minister Norbert Hofer und Heinz-Christian Strache (FPÖ) traten für die Freiheitlichen auf. Dabei griff der österreichische Vizekanzler die SVP und Landeshauptmann Arno Kompatscher scharf an: Die Partei verdiene sich "eine Watschen wie die CSU". Das Ziel der doppelten Staatsbürgerschaft bleibe aufrecht, sei aber "nicht vordringlich".

Aus Rom kam Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini, er mischte sich bei einem Konzert der Kastelruther Spatzen mit blauer Bauernschürze und Bierkrug unter die Menge, kaperte die Bühne und ließ sich bejubeln. Silvio Berlusconi warb in seiner Lieblingsstadt Meran um Stimmen.

Als sicher gilt ein Koalitionswechsel, der dem europäischen Rechtstrend folgen dürfte: Lega-Spitzenkandidat Massimo Bessone spricht zwar ein nur holpriges Deutsch, zeigt sich aber gerne in Lederhosen. Ein Bündnis mit der Lega könnte sich für die SVP auch mit Blick auf Rom auszahlen – auch wenn man das dementiert.

Bleibt die Frage, wie viele Wähler Salvinis bisher dort kaum erfolgreiche Partei in Südtirol dazugewinnen kann. Vier der 14 Listen werden dem deutschsprachigen Lager zugerechnet, vier dem italienischen und sechs sind gemischtsprachig. Dazu gehören die Grünen, die Linke und die neue Bürgerliste des bisherigen Fünf-Sterne-Abgeordneten Paul Köllensperger, dem ein gutes Ergebnis zugetraut wird. Die Freiheitlichen dürften nach einer Finanzaffäre einige ihrer Mandate einbüßen.

"Plattform Heimat"

Um den Rechtsparteien Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die SVP just zur Wahl eine "Plattform Heimat" ins Leben gerufen, die abgenutzte Begriffe wie Heimat und Identität wieder auffrischen soll. Keine besonders sinnvolle Idee, denn die permanente Heimattümelei und das Übermaß an Patriotismus haben in Südtirol längst ermüdende Dimensionen erreicht. (Gerhard Mumelter, 18.10.2018)