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Auf Märkten wie hier in Rom wird sich so bald nichts ändern. An den Finanzmärkten schon. Italien zahlt hohe Zinsen für Staatsanleihen.

Foto: Reuters / Max Rossi

Steuersünder frohlocken, Industrielle und Händler drohen, auf die Barrikaden zu gehen – und die Sparer sehen machtlos zu, wie ihr Angespartes tagtäglich schrumpft. Die US-Rating-Agentur Moody's hat in der Nacht auf Samstag die Kreditwürdigkeit Italiens von BBB2 auf BBB3 abgestuft, eine Stufe über Ramschniveau. Der Ausblick blieb wohl stabil, aber mit Sorge wird nun die Reaktion der Finanzmärkte erwartet, nachdem die Zinsdifferenz zwischen deutschen und italienischen Staatspapieren (Spread) bereits am Freitag auf ein Fünfjahreshoch von zeitweise 340 Basispunkten geklettert war.

Zumindest einigten sich die beiden Regierungsparteien in Rom am Wochenende hinsichtlich der umstrittenen Steueramnestie. Regierungschef Giovanni Conte versicherte, dass Italien sowohl im Euro wie auch in der EU verbleiben wolle. Die Moody's-Experten erklärten die Abstufung der Bonität mit den fragwürdigen Budgetplänen des drittgrößten Euro-Landes mit der veränderten Fiskalpolitik und mangelnden Reformen.

Mageres Wachstum

Trotz der Warnung der EU-Kommission, die Neuverschuldung zu senken (die Frist zur Stellungnahme seitens der Regierung in Rom läuft heute, Montag, ab) besteht die Regierung auf einem Haushaltsdefizit 2019 von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dies stellt laut der Kommission einen besonders gravierenden Verstoß gegen die EU-Regeln dar. Da die meisten Ausgabenerhöhungen im neuen Budget struktureller Natur sind, werden sie schwer rückgängig zu machen sein. Moody's kritisiert auch das prognostizierte Wachstum von 1,5 Prozent im kommenden Jahr als zu mager. Nationalökonom Carlo Cottarelli nennt es gar eine Utopie. Bei der Versammlung norditalienischer Unternehmer in Mailand, drohte Verbandschef Carlo Bonomi zuletzt mit Protesten gegen die Regierung in Rom.

Angespannte Beziehung

In einer Kabinettssitzung am Samstag wurden die jüngsten Gegensätze in Sachen Steueramnestie ausgeräumt. Sowohl Lega-Chef und Vizepremier Matteo Salvini als auch der zweite Vizepremier, Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, bekundeten ihren Willen, die Koalition fortzusetzen. Eine Regierungskrise sollte damit vorerst abgewendet sein.

Allerdings zeigt der Streit, wie angespannt die Beziehungen innerhalb der Regierung sind. Di Maio ist innerparteilich umstritten. Ihm wird vorgeworfen, in Sachen Steueramnestie, Immigrationspolitik, Liberalisierung des Waffengesetzes und bei der Genehmigung zahlreicher von der Parteibasis abgelehnter Infrastrukturprojekte zu nachgiebig zu sein. Zudem stiehlt ihm Lega-Chef Salvini mit seinem selbstbewussten Auftreten ständig die Show. Salvini spekuliere wohl, so Beobachter, dass die Nationalisten bei der Europawahl 2019 die EU-Kommission aus dem Amt jagen und er Junckers Nachfolge antreten könnte.

Freude für Steuersünder

Inzwischen dürfen sich Steuersünder freuen. Trotz Widerstands der Fünf-Sterne Bewegung ist die geplante Steueramnestie durchgegangen, wenn auch in gemäßigtem Maße. Steuerflucht wird in Italien als "Gentleman-Delikt" gesehen. Kein Wunder. Denn seit den achtziger Jahren haben die verschiedensten Regierungen den Landes zehn Amnestien für Steuersünder erlassen. Und auch die Regierung des Wandels, wie sich das aus der rechtsradikalen Lega und der Protestpartei Cinque Stelle zusammengesetzte Kabinett nennt, folgt dem Trend zu Steuernachlässen. Durch Steuerhinterziehungen und Schwarzarbeit gehen dem Staat jährlich über 200 Milliarden Euro, mehr als zwölf Prozent der Wirtschaftsleistung verloren, schätzen Experten.

Ein "Default" dürfte Italien trotz Ausgabenfreude und Reformmangels dennoch nicht drohen. Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies verweist u. a. auf den seit Jahren stabilen Primärüberschuss, also die im Vergleich zu den Schulden hohen Spareinlagen, sowie auf die – noch – nachhaltige Staatsverschuldung und die Chancen eines Konsolidierungsprozesses. Sofern dies im Visier der Regierungspolitik liege. (Thesy Kness-Bastaroli, 22.10.2018)