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Die Aufträge lukriert man im Internet, richtig reich wird man dadurch aber nicht.

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Sie texten Produktbeschreibungen für ein paar Cent, fahren Kunden mit dem Privatauto von A nach B oder liefern auch bei strömendem Regen Pizza auf ihrem Fahrrad aus. Sie, das sind sogenannte Crowdworker: Berufstätige, die für einzelne Aufträge von Plattformen wie Mechanical Turk von Amazon, Uber oder Foodora bezahlt werden. Weltweit stehen über sieben Millionen Crowdworker im Wettbewerb um die besten Aufträge.

Es ist bekannt, dass sie meist unter prekären Verhältnissen arbeiten. Deshalb wollen nicht nur Gewerkschaften ihre Situation verbessern. Die EU arbeitet an einem Gesetz für "transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen", und auch einzelne Staaten, die durch die geringen Löhne wenige Steuern einnehmen, sowie die Wissenschaft suchen nach Lösungen. So zum Beispiel Mark Graham. Er ist Professor an der University of Oxford, wo er die sogenannte Plattformökonomie untersucht.

Am Rande der Europäischen Konferenz zu Arbeit in der digitalen Welt, veranstaltet von der Arbeiterkammer und dem Innovation in Politics Institute, sagt er dem STANDARD: "Die Plattformen verleiten Unternehmen, die Risiken an die Individuen abzugeben." Zwar schafft die Plattformökonomie Flexibilität und neue Jobmöglichkeiten, gerade in Entwicklungsländern wird das neue Arbeitsmodell stark angenommen, sagt Graham. Doch Crowdworker haben befristete Verträge, erhalten Löhne, die teils unter dem Mindestlohn liegen, sind nicht versichert und müssen für die Kosten aufkommen, wenn etwa ihr Lieferwagen einen Schaden hat.

Keine Sicherheiten

Zudem ist ihr Beschäftigungsstatus oft unklar. Sie gelten zwar als Selbstständige, befinden sich aber häufig in einer Abhängigkeit. Haben Crowdworker einen Auftrag erledigt, werden sie bewertet – was sich auch auf künftige Aufträge auswirkt. Trotz kurzfristiger Verträge arbeiten sie dann, als wären sie in einer langfristigen Arbeitsbeziehung aus Unsicherheit, wann der nächste Auftrag kommt.

"Daher sind Regulierungen, Gewerkschaften und Projekte wie unseres nötig", sagt Graham, der mit seinen Kollegen am Oxford Internet Institute das Pilotprojekt Fairwork Foundation betreut. Die Forscher bewerten die Plattformen ähnlich wie bei einem Fair-Trade-Gütesiegel. Dabei untersuchen sie das Gehalt, etwa dass auch Reparatur- oder Spritkosten gedeckt sind, den Arbeitnehmerschutz, Governance, faire Arbeitsverträge und die Repräsentation, also dass Crowdworker eine Ansprechperson auf der Plattform haben oder sich in Gewerkschaften organisieren dürfen.

Das Ergebnis ist ein transparentes Ranking von eins bis zehn, wobei eine Plattform mit zehn Punkten die besten Bedingungen bietet. Damit konfrontieren die Forscher die bisher untersuchten Anbieter in Indien und Südafrika. "Einige haben daraufhin gesagt, sie wollen ihre Bedingungen zugunsten der Crowdworker verbessern", sagt Graham. Weisen sie Änderungen vor, erhalten sie das Siegel.

Transparenz schaffen

"Derzeit haben wir keine soliden Daten, auf die man sich berufen kann bei der Beurteilung von Plattformen", sagt Graham. Mit dem Ranking, das 2019 veröffentlicht werden soll, soll sich das ändern. Erhalte eine Plattform stets zwei von zehn Punkten, sei es kein Gerücht mehr, dass sie schlechter abschneide als andere. Graham ist überzeugt, dass durch die Zertifizierung Firmen, die Aufträge über Plattformen vergeben, Crowdworker und Menschen, die über Lieferdienste Essen bestellen, umdenken und auf besser bewertete Plattformen setzen. Besonders in Europa, wohin er das Projekt ausweiten will, gebe es ein hohes Bewusstsein für faire Arbeitsbedingungen – und eine große Plattformökonomie. Hierzulande gibt es ebenfalls ein Projekt, das Portal Fair Crowd Work, eine Kooperation der Arbeiterkammer, des Gewerkschaftsbunds, der deutschen Gewerkschaft IG Metall und der schwedischen Unionen.

Dort kann man das bisher einzige Plattformranking, auf Basis von Bewertungen von Crowdworkern, einsehen. Zudem gibt es eine Ombudsstelle, die hilft, wenn etwa Aufträge nicht bezahlt werden. "Das schafft Transparenz und ein Machtgleichgewicht", sagt Sylvia Kuba, ehemalige Projektkoordinatorin von Fair Crowd Work. Wichtig seien laut Kuba internationale Lösungen, da Crowdworker über Ländergrenzen hinaus arbeiten, und eine politische Agenda, um sicherzustellen, dass sie zu ihren Rechten kommen. Bisher gibt es kaum Regulierungen. Kuba begründet das mit dem "relativ neuen Phänomen", Graham damit, dass manche Länder sagen: "Besser viele Jobs als keine". (29.10.2018)