In riesigen Trauben bewegen sich die Heliumluftballons auf und ab. Einige Kinder haben schon einen ergattert, andere winseln noch um die Gunst der Eltern. Neben Hello-Kitty-, Katzen- und Hubschrauberluftballons haben es ihnen die mit Gas gefüllten grünen Panzer angetan.

Fahnen, Flieger und reichlich Luftballons – der Nationalfeiertag wurde rund um den Heldenplatz pompös gefeiert. Im Video hat DER STANDARD die Stimmen einiger Besucherinnen und Besucher eingefangen.
DER STANDARD

Nationalfeiertag ist – und in der Wiener Innenstadt bedeutet das seit Mitte der 90er-Jahre, dass hier die Panzer auffahren, die Hubschrauber landen, neue Rekruten angelobt werden. An Bundesheer, Polizei und Feuerwehr kommt an diesem Tag hier keiner vorbei. Bei der offiziellen Kranzniederlegung von Bundespräsident und Regierung am äußeren Burgtor in Gedenken an die toten Soldaten und die Opfer des Widerstandes herrscht in der Früh vergleichsweise wenig Trubel.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei der Kranzniederlegung am Äußeren Burgtor.
Foto: APA / Georg Hochmuth

In ihren Reden betonen die Politiker den gesellschaftliche Zusammenhalt. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dankt all jenen "die täglich fleißig zur Arbeit gehen, die Kinder erziehen oder sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern", auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zeigt sich überwältigt von "diesem sozialen Zusammenhalt in Österreich".

Gedenken mit martialischem Spielzeug.
Foto: Robert Newald

Damit das auch so bleibt, wird Bundespräsident Alexander Van der Bellen später, in seiner abendlichen Fernsehansprache, zu mahnenden Worten greifen: "Lassen wir uns nicht einreden, Mitgefühl zu zeigen, sei weltfremd", heißt es in seiner vorab aufgezeichneten Videobotschaft ohne Nennung eines konkreten Adressaten. Nicht das Recht, sondern die Pflicht des Stärkeren habe zu gelten – nämlich die Pflicht "jenen zu helfen, denen es nicht so gut geht".

Beim Michaelerplatz trafen sich einige zum "Marsch der Patrioten".
DER STANDARD

Zuvor am Heldenplatz hat Van der Bellen an die politisch Verantwortlichen appelliert, dem Heer die nötigen finanziellen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Da werde seiner Ansicht nach "in den nächsten Jahren eine rote Linie überschritten, nämlich die der Einsatzbereitschaft".

Die Jugend am Platz ist mit währenddessen mit anderem beschäftigt. "Der hat auch nichts gelernt in Geschichte" kommentieren ein paar Mädls als Strache den Nationalfeiertag auch als jenen Tag feiern will, an dem der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen habe. "Uns ist langweilig" hört man aus der anderen Richtung. Hier in der Mitte des Heldenplatzes stehen vor allem jene, die bloß wegen der Angelobung eines Angehörigen gekommen sind.

"Ich gelobe", verkündeten rund 1.000 Rekruten.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Als die rund 1000 Rekruten zum gemeinschaftlich gebrüllten Treueschwur ansetzen, zuckt der Tourist aus Amsterdam kurz zusammen. "Oh mein Gott", lacht er. Der militärische Pomp irritiert ihn, er denkt an Leni Riefenstahl, befindet: "Bei uns wäre so etwas nicht möglich." Der Präsident befiehlt dann auch gleich "abrücken", zum Schluss springen noch drei Bundesheerler mit Fallschirm aus dem Heli.

Drei Bundesheerler sprangen mit der Fahne im Schlepptau aus dem Heli.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Margit Göhsl hat sich in der Zwischenzeit vor dem Bundeskanzleramt in Geduld geübt. Die Schlange der Eintrittswilligen ist lang, wer ausharrt, wird später mit Sebastian-Kurz-Selfies belohnt. Der Zehnjährige Enkel Lukas ist genau deswegen mitgekommen. Am Ende der Führung wird er mit reicher Beute nach Hause gehen.

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) spielte Tourguide.
Foto: Robert Newald

Im Gebäude gibt es heute prominente Tourguides: Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) gibt sich im Steinsaal volksnah. Den in Gruppen aufgeteilten Besuchern erzählt sie von ihrem Engagement für Gewaltprävention und ihrem Kampf für das Schließen der Lohnschere. Die Mittelkürzungen für Frauenvereine bleiben dabei ebenso unerwähnt, wie das Faktum, dass Österreich in Sachen Lohngefälle zwischen Männern und Frauen europaweit auf Platz fünf liegt.

Jedenfalls, es mache "unglaublich viel Spaß" in der Regierung, "weil es wird nicht gestritten und es geht was weiter" – auch für die Besucher, die nach einem andächtigen Blick ins mit Absperrband gesicherte Büro von Kanzleramtsminister Gernot Blümel in den Ministerratssaal vorrücken dürfen. Die Kanzler-Fans in der grünen Gruppe werden etwas nervös, gleich werden sie vor ihm stehen.

Kanzler Sebastian Kurz beim Selfie-Marathon im Kreisky-Zimmer.
Foto: Robert Newald

Sebastian Kurz enttäuscht sie nicht. Im Kreisky-Zimmer erklärt er, welchen Tisch er wofür benutzt und wer auf seinem Sofa Platz nehmen darf. Der Stehtisch im hinteren Teil des Raumes "schaut normalerweise mehr nach Arbeit aus", sagt er, "wir haben nur z’amgräumt für Sie". Gibt's Fragen? Nein? Dann ist jetzt Selfie-Time. Und die Kleinen bekommen sogar einen rot-weiß-roten Lolli überreicht. (Karin Riss, 26.10.2018)