Mehr Geld für Lehrpersonal: Lehrerqualität ist immer ein Thema gewesen, allerdings lange Zeit kein öffentliches.

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Bei meinem Eintritt ins Kremser Piaristen-Gymnasium im Herbst 1951 ist mein Vater der Direktor der Schule gewesen. Er hat mir noch vor Schulbeginn gesagt, dass er nie wegen einer Note bei meinen Lehrern intervenieren, mir aber in einer anderen Hinsicht helfen wird: Er würde bei der Einteilung der Lehrer dafür sorgen, dass ich solche bekomme, bei denen ich etwas lernen kann. Nepotismus durch die Hintertür sozusagen.

Lehrer als Wanderpokale

Er hat diese Ansage nicht ganz durchgehalten. Schon nach der dritten Geografiestunde ist uns Schülern klar gewesen, dass es der Geografielehrer, ein freundlicher, älterer Herr, einfach "nicht kann". Warum wir als Zehnjährige so schnell zu diesem Urteil gekommen sind? Weil wir einen Vergleich zum Geschichtslehrer hatten. Da sind ganze Unterrichtswelten dazwischen gelegen. (Wegen dieses ständigen und täglichen Vergleichs haben die Lehrer auch so schlechte Karten in der öffentlichen Wahrnehmung. Bei Ärzten, Anwälten und Mechanikern schaut die Verteilung von Könnern und Nichtkönnern nicht viel anders aus als bei Lehrern. Nur leben ganze Heerscharen von mediokren Vertretern dieser Zünfte ganz gut davon, dass sie nur sporadisch frequentiert werden, und dem Patienten/Kunden ein unmittelbarer Vergleich oft fehlt.)

Unser Geografielehrer ist übrigens wie durch Zauberhand noch vor Weihnachten verschwunden. Versetzt an eine hundert Kilometer entfernte andere Schule. Auch eine Form der Leistungsbeurteilung. Wanderpokale hat man diese Lehrer damals genannt.

Lehrerqualität ist offensichtlich immer ein Thema gewesen. Allerdings lange Zeit kein öffentliches. Das hat sich heute dramatisch verändert. Deshalb hat sich auch die Bundesregierung vorgenommen, der Qualität der Lehrer durch eine leistungsabhängige Bezahlung auf die Sprünge zu helfen. Dass der Chef der Lehrergewerkschaft in diesem Zusammenhang gleich das Chaos ausruft, braucht einen noch nicht zu beunruhigen. Den Teufel an die Wand zu malen gehört zu seinem Geschäft. Aber die Hürden für ein neues System, das auch funktionieren soll, sind ziemlich hoch.

Mehr Geld

Die erste ist noch recht leicht zu überspringen, wenn man zusätzliches Geld als leichte Hürde betrachtet. Meine Schule hatte seinerzeit dreißig Lehrer. Der Lehrkörper einer nur mittelgroßen Wiener AHS umfasst heute neunzig bis hundert Personen. Kein Fußballtrainer der Welt kann sich über die Stärken und Schwächen der Spieler ein seriöses Bild machen, wenn sein Kader hundert Mann umfasst. Das kann auch keine Führungskraft in der Wirtschaft. Und eben auch kein Schuldirektor. Die Einführung eines Beurteilungssystems, das diesen Namen verdient, verlangt also vorab spürbare Investitionen in die Führungsstruktur einer Schule, was nicht nur beim Finanzminister auf wenig Begeisterung stoßen wird.

Die zweite Hürde ist schon höher. Das Können von Lehrern ist nicht mit Stoppuhr und Maßband zu messen. Auch bei klar definierten Beurteilungskriterien sowie einer optimalen Schulung von Schuldirektoren und Supervisoren bleibt die Leistungseinschätzung ein subjektives Urteil, das im Einzelfall auch mit Fehlern behaftet sein kann. Gegner eines solchen Systems werden daher versuchen, es unter dem Schlachtruf "Minimierung der Fehlerquote" mit Einspruchsmöglichkeiten und Instanzenzügen zu überfrachten.

Mut der Direktoren

Führungskräfte legen in der Regel Wert auf Führungskomfort. Mitarbeitern offen zu sagen, dass man ihre Leistung weniger hoch einschätzt als die eines Kollegen oder einer Kollegin und dass das auch entsprechende finanzielle Konsequenzen hat, fördert nicht gerade die Ausweitung der Komfortzone und verlangt eine ebenso kostbare wie seltene Gabe: Mut. Aus meiner Zeit bei IBM, wo wir schon vor mehr als fünfzig Jahren ein aufwendiges Beurteilungsverfahren hatten, weiß ich, dass viele Abteilungsleiter einen Bammel davor hatten, mit den Mitarbeitern Klartext zu reden.

Schuldirektoren sind sicher nicht mutiger als IBM-Manager. Und risikolose Einspruchsmöglichkeiten für sich ungerecht beurteilt fühlende unkündbare Lehrer lassen den Mutpegel von Direktoren sicher gegen null sinken. Daher Hände weg von jeder Appellationsmöglichkeit. Der Beurteiler ist erste und gleichzeitig letzte Instanz! Das jetzige System, das alle Lehrer unabhängig von ihrer Leistung über einen Kamm schert, ist viel ungerechter als ein neues System, auch wenn es nicht perfekt sein kann.

15 bis 20 Prozent Gehaltsunterschied

Und schließlich die höchste Hürde, zu der ich noch einmal meine Erfahrung als Schüler bemühen möchte. Unser Geschichtslehrer hätte sicher mindestens das doppelte Gehalt des Geografielehrers verdient. Da ich kein Fantast bin, denke ich nicht einmal im Traum an solche Gehaltsdifferenzen. Aber 15 bis 20 Prozent Gehaltsunterschied sollten es bei gleichem Dienstalter in einem neuen System schon sein, damit es nicht zur Augenauswischerei oder Farce wird. Wenn die Summe der Lehrergehälter nicht steigen soll, was sowohl eine Forderung des Finanzministers als auch der Öffentlichkeit sein wird, der ich mich anschließe, dann müssen die Gehälter der Lehrer im unteren Leistungsquartal wenn schon nicht gekürzt, so zumindest über längere Zeit eingefroren werden, damit man die Lehrer im obersten Leistungsquartal wenigstens schrittweise an das ihnen zustehende Gehaltsniveau heranführen kann. Ich spreche bewusst von Leistungsquartalen. Ein System würde sich ad absurdum führen, wenn von 100 beurteilten Lehrern 70 mit einer Eins oder zumindest einer Zwei, 25 mit einer Drei, und nur fünf mit einer schlechteren Note beurteilt würden. Daher wird es klare und eindeutige Vorgaben brauchen.

Ich bin kein Kenner des Beamtendienstrechts. Aber es braucht nicht viel Fantasie für die Vorstellung, dass diese Nuss sehr schwer zu knacken sein wird. Dazu wünsche ich der Regierung sehr viel Mut und noch viel mehr Glück! (Bernhard Görg, 31.10.2018)