#EleNao bedeutet "nicht er": Protest gegen Bolsonaro vor dessen Wahl.

Foto: aPA/AFP/NELSON ALMEIDA

Brasilien hat gerade einen rechtsextremen Nationalisten mit autoritären Tendenzen und faschistischen Neigungen zum Präsidenten gewählt. Die 900.000 indigenen Bürger des Landes gehören zu den vielen Minderheiten, die Jair Bolsonaro häufig mit wüsten Beschimpfungen attackiert hat. "Es ist eine Schande, dass die brasilianische Kavallerie nicht so effektiv war wie die Amerikaner, die ihre Indianer ausgerottet haben", sagte er einmal. Wenn er seine Wahlversprechen einhält, stehen die ersten Völker Brasiliens vor einer Katastrophe; in einigen Fällen vor einem Völkermord.

Es gibt ungefähr 100 unkontaktierte Völker in Brasilien, mehr als irgendwo sonst auf dem Planeten. Alle sind in Gefahr, sollten ihre Landrechte nicht geachtet werden. Bolsonaro drohte schon mit der Schließung der brasilianischen Behörde für indigene Angelegenheiten, Funai, die mit dem Schutz indigenen Landes beauftragt ist. Bereits jetzt kämpft Funai gegen massive Haushaltskürzungen. Sollte die Behörde schließen müssen, droht unkontaktierten Gemeinden die Auslöschung.

Mangelhafter Schutz

Anfang des Jahres veröffentlichte Funai Videoaufnahmen eines Mannes, der als "Letzter seines Volkes" bekannt ist. Er ist der einsame Überlebende gewaltsamer Angriffe, die Holzfäller und Viehzüchter verübten, als sie sich den Weg durch seinen Wald bahnten. Sie ermordeten seine gesamte Familie, seine Gemeinde und Nachbargemeinschaften. Wenn die Mechanismen zum Schutz indigener Territorien und zur Verhinderung derartiger Gräueltaten, die schon heute mangelhaft sind, vollständig zusammenbrechen, werden wir einen zentralen Bestandteil der menschlichen Vielfalt für immer verlieren. Bolsonaro sagt, dass "Indianer stinken, ungebildet sind und unsere Sprache nicht sprechen" und "die Anerkennung indigenen Landes ein Hindernis für die Landwirtschaft" sei. Er hat erklärt, dass er die Gebiete indigener Völker im Amazonas-Regenwald verkleinern oder ganz auflösen werde, und er hat mehrfach geschworen: "Wenn ich übernehme, bleibt für die Indios kein Zentimeter mehr übrig." Kürzlich hat er sich korrigiert, er meinte "kein Millimeter".

Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die indigenen Völker des Landes, die für ihren Lebensunterhalt und ihr körperliches und geistiges Wohlbefinden vollständig auf ihr Land angewiesen sind. Der Kampf um das Leben und Überleben indigener Völker und um die Ökosysteme, auf die sie angewiesen sind, ist bereits brutal und blutig. Survival International arbeitet beispielsweise eng mit Gruppen des Guajajara-Volkes im brasilianischen Bundesstaat Maranhão zusammen, die es sich dort zur Aufgabe gemacht haben, die verbliebenen Teile des östlichen Amazonas-Regenwaldes zu schützen. Nicht nur für Hunderte von Guajajara-Familien, die den Wald ihr Zuhause nennen, sondern auch für ihre Nachbarn: die unkontaktierten Awá. Diese "Wächter des Amazonas" sind gewalttätigen Angriffen der mächtigen Holzmafias ausgesetzt, die illegal in der Region operieren. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass seit 2000 bis zu 80 Mitglieder des Volkes ermordet wurden.

Gewaltsame Übergriffe

Derweil werden im Norden, im weltweit größten Waldgebiet unter indigener Kontrolle, die Yanomami von illegalen Goldgräbern belagert. Das indigene Volk, dessen Territorium sich über die Grenze bis nach Venezuela erstreckt, erlebt derzeit eine verheerende Masernepidemie, höchstwahrscheinlich infolge des Goldrausches. Die Masern stellen eine besondere Bedrohung für unkontaktierte Yanomami-Gruppen dar, und die medizinische Versorgung auf beiden Seiten der Grenze ist schlecht. Dutzende Yanomami sind bereits gestorben. Neben der Krankheit haben die Goldsucher Gewalt gebracht. Im Mai dieses Jahres wurden Berichten zufolge zwei unkontaktierte Yanomami von Goldgräbern ermordet, die illegal in der Nähe der Gemeinde arbeiteten. Diese gewaltsamen Übergriffe werden wohl zunehmen, denn Holzfäller, Siedler und Goldschürfer fühlen sich von Bolsonaro dazu ermutigt, immer weiter und brutaler in indigene Gebiete in ganz Brasilien einzudringen.

Für die indigenen Völker, die bereits von ihrem Land vertrieben wurden, könnte Bolsonaros Regime der letzte Todesstoß sein. Survival International arbeitet seit Jahrzehnten mit den Guarani-Kaiowá in Mato Grosso do Sul zusammen, deren Land von Viehzüchtern und Agrarunternehmen geraubt wurde. Heute leben sie in überfüllten Reservaten oder kampieren entlang von Schnellstraßen in völliger Armut. Diese prekäre Existenz wird in Bolsonaros Brasilien noch schlimmer werden. Junge Guarani suchen verzweifelt nach einer Zukunft. Viele haben sich bereits das Leben genommen und das indigene Volk hat eine der höchsten Selbsttötungsraten der Welt. Das einzige, was ein ähnliches Szenario in vielen Teilen Amazoniens bisher verhindert, sind die dort bestehenden – aber nur bedrohten – Landrechte indigener Gemeinden.

Gefährliche Hassrede

Bolsonaros Hassrede füttert einen öffentlichen Diskurs, in dem die Anstiftung zu Rassenhass gleichgesetzt wird mit der Duldung ungestraften Mordens. Mindestens 110 Indigene wurden 2017 in Brasilien ermordet, und es gibt schon jetzt Anzeichen dafür, dass diese Morde zunehmen werden. Am Tag der Wahlen wurden bei einem Angriff von bewaffneten Männern auf eine Guarani-Gemeinde 15 Personen verletzt, darunter ein neunjähriges Kind. In einem verstörenden Video, das im Kongress gefilmt wurde, erklärt Bolsonaro den indigenen Völkern von Roraima, was er mit dem großen indigenen Territorium Raposa-Serra do Sol vorhat, das 2005 nach jahrelangen erbitterten Konflikten mit Viehzüchtern entstand: "Wir werden das indigene Reservat Raposa Serra do Sol zerlegen. Wir werden allen Ranchern Waffen geben."

Das Beispiel Brasilien hat gezeigt, dass die Einhaltung indigener Landrechte nicht nur indigenen Völkern ein gutes Leben ermöglicht, sondern auch einige der vielfältigsten und bedrohtesten Ökosysteme des Planeten schützt, vom Amazonas bis zu den Savannen. Inwieweit Bolsonaro die verfassungsmäßigen Rechte der Indigenen tatsächlich "zerlegen" kann, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch klar, dass es um nichts weniger als die Seele Brasiliens geht, um die Zukunft des Amazonas-Regenwaldes – und um die außerordentliche menschliche Vielfalt, die die 305 unterschiedlichen indigenen Völker des Landes darstellen. (Fiona Watson, 1.11.2018)