Die Volksanwaltschaft bemängelt, dass der Algorithmus strukturell benachteiligte Gruppen wie Frauen, aber auch Ältere, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung weiter benachteiligen könnte.

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Die Volksanwaltschaft prüft den Algorithmus, mit dem das Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) ab 2019 in einer Testphase die Jobchancen Arbeitssuchender einschätzen will. Der zuständige Volksanwalt Günther Kräuter zeigt sich im Gespräch mit dem STANDARD alarmiert: "Ich warne vor einer in der Dimension noch völlig unvorhersehbaren Gefährdung für sozial benachteiligte Gruppen in der Bevölkerung. Dass Frauen offenbar generell mit einer diskriminierenden Negativeinstufung zu rechnen haben, macht fassungslos." Die Volksanwaltschaft werde "alle Wege, Verfahren und Möglichkeiten ausschöpfen, um einer Stigmatisierung von Menschen entgegenzuwirken, die Unterstützung und Zuwendung benötigen".

Das Prüfverfahren wendet sich gleichlautend an die AMS-Geschäftsführung und Familien- und Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP). In einem Schreiben an die Frauenministerin bemängelt die Volksanwaltschaft, dass der Algorithmus strukturell benachteiligte Gruppen wie Frauen, aber auch Ältere, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung noch weiter benachteiligen könnte. Zudem nehme er in seinen Berechnungen keinerlei Rücksicht auf stützende (familiäre) Gegebenheiten, die jeweilige Sozialisation oder die individuelle Lebensgeschichte.

Zivilgesellschaft einbeziehen

Kräuter will erreichen, dass mit der Prüfung der Weg zu einer "Grundsatzdiskussion der Konsequenzen dieses Projekts" freigemacht werde – und er hofft auf eine "weitestreichende Einbeziehung der Zivilgesellschaft".

Wie DER STANDARD berichtete, will das AMS mit dem Algorithmus künftig Arbeitssuchende in die Kategorien A, B und C einteilen. Jobsuchende der Kategorie A sind solche mit sehr guten Chancen, sich kurzfristig, innerhalb von 90 Tagen, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Bei diesem Algorithmus wird etwa bei männlichen Bewerben die Kategorie "Betreuungspflichten" gar nicht eingerechnet, bei Frauen sehr wohl. Im AMS heißt es dazu, der Algorithmus stelle nur die strukturell bedingten Nachteile von Frauen im Erwerbsleben dar. Man achte aber bei der individuellen Betreuung sehr genau darauf, dass genau diese Nachteile durch besondere Förderungen ausgeglichen würden.

Der Algorithmus des AMS berechnet aber auch mit denselben Variablen, jedoch mit anderer Gewichtung, die langfristigen Job-Perspektiven von Arbeitssuchenden und zeigt, wie die Integrationsperspektive für die kommenden zwei Jahre aussieht. Die Annahmen für dieses Modell hat das AMS nicht veröffentlicht.

Wer langfristig eine schlechte Perspektive hat, gehört in die Kategorie C. Alle anderen Jobsuchenden gehören dem mittleren Segment B an. Das AMS erwägt, ab 2020 Förderungen auf die Gruppe mit mittlerer Perspektive zu konzentrieren, weil sie dort effektiver sind. Das würde aber bedeuten, dass Ausgaben für Menschen mit schlechter Perspektive sinken werden. (Petra Stuiber, 2.11.2018)