Heidi Glück hat das Problem der ÖVP via Twitter auf den Punkt gebracht: "Die Österreicher haben 2017 Mitte-rechts gewählt." Glück, ehemalige Sprecherin des ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel und nunmehr selbstständig als Kommunikations- und Strategieberaterin tätig, wünscht sich, "dass die ÖVP die Mitte ist/bleibt". Gemünzt ist dies ziemlich unmissverständlich darauf, dass die ÖVP ihrem Koalitionspartner FPÖ den Wunsch erfüllt hat, den UN-Migrationspakt abzulehnen – und das gerade von rechten Gruppen in ganz Europa bejubelt wird.

Das Unbehagen im bürgerlich-konservativen Lager über die Ablehnung des Uno-Migrationspakts ist groß. Denn Österreich sendet damit auf außenpolitischer und diplomatischer Ebene ein bedenkliches Signal. Das geht an vielen ÖVP-Wählerinnen und -Wählern nicht spurlos vorbei. Dass Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Ablehnung verteidigt, gibt zu denken, die argumentative Mühe, die Vizekanzler Heinz-Christian Strache im ZiB 2-Interview hatte, die Ablehnung zu begründen, war offensichtlich. Dass sich Österreich gegen die überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft aufseiten der "Problemkinder" gestellt hat, macht die Optik auch nicht besser.

Rechte Kreise feiern

Dazu kommt, dass die Regierung in ihrem Ministerratsvortrag zum Thema das Wort "planmäßige Migration" verwendete – eine Wortschöpfung, die rechte Gruppierungen, wie etwa die Identitären, regelmäßig verwendeten, um gegen den UN-Pakt mobilzumachen. Tatsächlich sprechen die Vereinten Nationen nämlich von "regulärer" Migration – was einen wesentlichen Unterschied macht. Interessant ist auch, dass der UN-Vertrag kein Thema für die Regierung war, bis rechte Propagandisten auf ihren Plattformen, wie etwa Identitären-Chef Martin Sellner in seinem Video-Blog, im September begannen, mit einer Petition gegen den "Untergang der europäischen Völker" Stimmung zu machen. Sellner griff in einem Youtube-Video mit NGO-Anmutung Jan Kickert, Österreichs höchsten Beamten bei den Vereinten Nationen in New York, persönlich an. Die rechte Plattform Wochenblick griff die Kampagne dankbar auf – und von dort gibt es direkte personelle Bezüge zur FPÖ.

Nun wird in rechten Kreisen gefeiert: "Der erste Sieg", jubelte etwa Sellner nach der Ablehnung des Paktes durch die türkis-blaue Koalition, und bis hin zu dem aus der FPÖ wegen Rechtsabweichlertums ausgeschlossenen Ex-Abgeordneten Werner Königshofer jubeln viele mit. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb daraufhin: "Aktivisten und Medien am rechten Rand haben in Österreich gegen den Uno-Migrationspakt getrommelt. Die Regierung übernimmt ihr Narrativ."

Einzelfälle

Garniert wird das mit wiederholt auftretenden antisemitischen bzw. revisionistischen "Einzelfällen", mit denen Mitarbeiter und Funktionäre im Umfeld von FPÖ-Regierungsmitgliedern auffällig werden. Aktuell ist das Heinz-Christian Straches Pressesprecher Konrad M. Weiß, der in einem Beitrag für die rechte deutsche Zeitschrift Sezession von der "Katastrophe von 1945" schrieb.

Noch könnte Österreichs Regierung einlenken, um den Image-Schaden zu begrenzen. Unmöglich ist das nicht – schließlich will man auch beim Zwölfstundentag nun plötzlich einlenken. Die ÖVP sollte ihre Rolle als Schutzmantelmadonna des Koalitionspartners jedenfalls dringend überdenken. (Petra Stuiber, 4.11.2018)