Innsbruck/Wien – Die Tiroler Arbeiterkammer (AK) hat am Montag im Zusammenhang mit der neuen Arbeitszeitregelung und der Einführung des Zwölfstundentags einen Dienstvertrag mit ihrer Ansicht nach "zweifelhaftem Inhalt" publik gemacht. In der Vereinbarung eines großen Hotelbetriebs am Arlberg müsse der Arbeitnehmer erklären, "freiwillig" eine Tagesarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden zu leisten.

Konkret heißt es in dem der AK vorliegenden Arbeitsvertrag: "Der Arbeitnehmer erklärt seine ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft, bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes eine Tagesarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden sowie eine Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden leisten zu wollen." Eine gleichlautende Formulierung wurde in dem jüngst bekannt gewordenen Fall eines Salzburger Hotels verwendet.

AK nennt Vorgehen "sitten- und rechtswidrig"

"Wie mit den Menschen hier umgegangen wird, ist sitten- und rechtswidrig, das Recht auf freiwillige Ablehnung von Mehrarbeit ist nichts wert", kritisierte der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl. Derartige Zusätze in Dienst- beziehungsweise Arbeitsverträgen seien kein Einzelfall. Vielmehr werde "systematisch" versucht, die Mehr- und Überstundenregelung zu umgehen.

"Mit so einem Vertrag muss ich freiwillig erklären, dass ich freiwillig auf mein Recht auf Freiwilligkeit verzichte, da ich ansonsten meinen Job verliere beziehungsweise gar nicht bekomme. Das ist Zynismus in türkis-blauer Reinkultur", betonte der ÖVP-Politiker. Das Gesetz müsse nicht repariert, sondern neu verhandelt werden.

"Man verkauft die Menschen einmal mehr für dumm", sagte Zangerl. "Jetzt sich hinzustellen und groß davon zu sprechen, man verschärfe Tonart und Strafen gegen Betriebe, die gegen das Gesetz verstoßen, ist reine Show." Die AK habe davor gewarnt, die Warnungen seien aber "in den Wind geschlagen" worden. "Und die Leidtragenden dieser Politik sind einmal mehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."

Sozialministerium geht Verstößen nach

Diese Woche finde eine Analyse der entsprechenden Fälle statt, sagte ein Sprecher von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) am Montag. Danach wolle man mit dem Koalitionspartner ÖVP über Nachschärfungen reden und diese präsentieren.

Eine der Möglichkeiten seien Sanktionen, so der Sprecher. Auch die Kontrollen könnten verschärft werden. Nach der Analyse werde man wissen, wo es Verbesserungs- und Reparaturbedarf gibt. Im Fall der Hilfsköchin in Wien, die laut Medienberichten gekündigt wurde, weil sie den Zwölfstundentag verweigerte, sei das Arbeitsinspektorat mit einer Prüfung beauftragt worden.

Unschlüssige ÖVP

Nachdem bekannt wurde, dass Arbeitgeber die Freiwilligkeit des 12-Stunden-Tages ignorieren, spricht sich die Kanzlerpartei ÖVP für eine Nachschärfung aus – und schloss dabei am Montag auch eine Gesetzesnovelle nicht mehr aus.

"Die ÖVP ist für eine Verschärfung. Ob über gesetzlichen Weg, Erlass, Weisung oder Verordnung muss noch geklärt werden. Jedenfalls muss es zu einem verschärften Vorgehen durch die Arbeitsinspektorate kommen", erklärte ein Sprecher der ÖVP schriftlich gegenüber der APA.

Zuvor hatte es am Vormittag aus dem ÖVP-Parlamentsklub geheißen, dass eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes kein Thema ist. Und ÖVP-Klubobmann August Wöginger schloss in den "Salzburger Nachrichten" (Montagsausgabe) eine Neuverhandlung aus: "Das Gesetz ist ja erst seit zwei Monaten in Kraft."

WKÖ nimmt "missverständliche Formulierung" zurück

Die Tourismus-Sparte der Wirtschaftskammer (WKÖ) hat sich am Montag für die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes stark gemacht. Die "missverständliche Formulierung eines privaten Steuerberatungsunternehmens" sei zurückgenommen worden.

"Wir decken keinerlei Verstöße oder schwarze Schafe, verwehren uns aber auch, dass aus einer unglücklichen Formulierung eines Vertragsmusters die Seriosität der gesamten Tourismus-Branche plakativ in Frage gestellt wird", erklärten WKÖ-Bundessparten-Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher und die Fachverbands-Obleute Hotellerie und Gastronomie, Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker, in einer Aussendung. (APA, 5.11.2018)