"Ich arbeite seit 2010 in Wien als Gerichtsdolmetscherin. Dolmetschen ist eine große Herausforderung. Viele muten sich das erst zu, merken dann aber schnell, dass es gar nicht so einfach ist. Zum Dolmetschen gehört viel mehr, als beide Sprachen perfekt zu sprechen. Nämlich eine gute Ausbildung, viel Training und auch ständige Weiterbildung. Man muss die aktuelle Situation in Politik und Wirtschaft verfolgen, um zu wissen, worüber derjenige, den man dolmetscht, überhaupt spricht.

Da ich mehrsprachig aufgewachsen bin – Bosnisch, Serbisch, Kroatisch, Deutsch, habe ich schon als Kind erste Erfahrungen mit Dolmetschen und Übersetzen gemacht. Ich habe immer wieder für Bekannte und Nachbarn, etwa bei Arztbesuchen gedolmetscht. Auch in der Schule mochte ich Sprachen besonders.

Nach der Matura wurde ich auf den Studiengang 'Übersetzen und Dolmetschen' aufmerksam und habe sofort gewusst, dass das das das Richtige für mich ist. Neben dem Studium habe ich für ein Übersetzungsbüro gearbeitet. Später habe ich auch mit Konferenzdolmetschen begonnen. Zusätzlich zum Uniabschluss habe ich die Prüfung zum 'Allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher' am Landesgericht für Zivilrechtssachen abgelegt – ein eigenes Zertifikat für Gerichtsdolmetscher. Seit circa acht Jahren bin ich nun hauptberuflich als Gerichtsdolmetscherin für die Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch (BKS) tätig.

Anspruchsvolle Arbeit

In diesem Beruf bin ich selbstständig. Bei Verhandlungen in Strafsachen bezahlt der Staat mein Honorar. Es richtet sich nach dem sogenannten 'Gebührenanspruchsgesetz'. Für die erste halbe Stunde verdiene ich 24,50 Euro brutto – für jede weitere halbe Stunde bei Gericht 12,40 Euro. Das ist wenig Lohn dafür, dass unsere Arbeit sehr anspruchsvoll ist. Man muss sich gut vorbereiten und während einer Verhandlung immer sehr konzentriert sein, um folgen zu können. Fix entlohnt wird die sogenannte Zeitversäumnis, das ist die Zeit, die man braucht, um zu Gericht und zurück zu kommen. Das sind 45 Euro.

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Über ihren Job sagt unsere Gesprächspartnerin, eine Gerichtsdolmetscherin: "Man weiß, was Anwälte oder Richter machen, aber zu selten kennen die Leute den Beruf Gerichtsdolmetscher." Das will die Mutter von zwei Kindern ändern, indem sie Auskunft gibt.
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Ich habe täglich zumindest eine Verhandlung, auf den verschiedensten Gerichten in der Stadt: beim Verwaltungsgericht, beim Landesgericht für Strafsachen, an den Bezirksgerichten, auch manchmal bei den Polizeibehörden. Der Bedarf ist sehr groß. Die Verhandlungen dauern im Schnitt zwei Stunden. Bei mehreren Angeklagten, Zeugen oder Opfern können sie auch bis zu acht Stunden dauern.

Eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für Dolmetscher wäre das Konferenzdolmetschen: Man übersetzt auf Konferenzen simultan, das heißt fast zeitgleich mit dem Redner oder der Rednerin. Das ist vielen im Zusammenhang mit EU-Konferenzen bekannt und ist mit bis zu 700 Euro pro Tag sicher die bestbezahlte Art des Dolmetschens. Leider gibt es nur wenige Konferenzen in Wien, bei denen BKS-Dolmetscher gebraucht werden.

Menschenkenntnis nötig

Trotzdem mache ich meinen Job sehr gern. Es ist ein schöner, spannender Beruf. Man lernt andauernd neue Menschen aus unterschiedlichsten Kreisen mit unterschiedlichstem Background kennen. Mal sind es Politiker, mal Richter und Staatsanwälte, mal Eisenbieger, Elektriker, mal Ingenieure und IT-Techniker, mal Sozialarbeiter. Das Dolmetschen unterscheidet sich bei jedem von ihnen. Denn jeder hat ein anderes Vorwissen zu Themen. Bei dem einen muss man langsamer sprechen, damit er die Zusammenhänge versteht, beim anderen kann man sehr schnell reden. Um sich an die jeweiligen Bedolmetschten anzupassen, ist auch Menschenkenntnis absolut notwendig.

Wichtig ist, beim Dolmetschen stets bei dem zu bleiben, was der Sprecher oder die Sprecherin gesagt und gemeint hat. Interpretieren darf man nicht. Seine eigene Meinung als Dolmetscher dazugeben schon gar nicht.

Beim Übersetzen besteht die Herausforderung darin, eine Urschrift in eine andere Sprache zu übertragen, ohne den Sinn zu verändern und ohne 'übersetzt' zu wirken. Das heißt, die Übersetzung muss man wie ein Original lesen können. Ein juristischer Ausgangstext etwa muss als Zieltext genauso juristisch klingen wie der Ausgangstext selbst. Das kann lange dauern, weshalb gute Übersetzungen auch manchmal viel Geld kosten. (Lisa Breit, 30.11.2018)