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Mit dem Image des Gastgewerbes ist es nicht zum Besten bestellt. Einzelne Verstöße gegen das neue Arbeitszeitgesetz verstärken das negative Bild zusätzlich.

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Wenige Wochen vor Beginn der Wintersaison sind viele Hoteliers in Westösterreich damit beschäftigt, Köche, Kellner und Zimmerpersonal anzuwerben. Der fehlende Schnee bereitet den allermeisten weniger Sorgen als die fehlenden Mitarbeiter. Grüne Weihnachten sind zwar nicht sexy, mit künstlicher Beschneiung kann der Skibetrieb aber sichergestellt werden, sollte Naturschnee tatsächlich ausbleiben. Bei fehlendem Personal geht das nicht so einfach.

Mit dem Anfang September in Kraft getretenen neuen Arbeitszeitgesetz war die Tourismusbranche anfänglich zufrieden, wiewohl die Industrie Haupttreiber war. Das Gesetz erlaubt bei erhöhtem Arbeitsanfall, dass maximal zwölf statt bisher zehn Stunden am Tag gearbeitet wird, 60 Stunden die Woche. Allerdings nur freiwillig, also nicht angeordnet vom Arbeitgeber.

Dies könnte nun der Tourismusbranche in doppeltem Sinn auf den Kopf fallen: Weil sich das Image, dass man in der Branche vergleichsweise wenig verdient, schwer und noch dazu sehr viel arbeiten muss, verfestigt. Und weil ein Hotelier schnell mit einem Fuß im Kriminal stehen kann, wenn er oder sie das Gesetz in der Praxis anwenden will.

Am Montag ist ein dritter Fall von missbräuchlicher Anwendung des neuen Gesetzes publik geworden. In der Vereinbarung eines großen Hotelbetriebs am Arlberg musste der Mitarbeiter nach Angaben der Arbeiterkammer Tirol erklären, dass er bereit sei, "freiwillig" bis zu zwölf Stunden am Stück zu arbeiten. "Wie hier mit den Menschen umgegangen wird, ist sitten- und rechtswidrig", sagte der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl.

Kritik aus Reihen der ÖVP

Zangerl, einer der wenigen AK-Präsidenten aus den Reihen der Regierungspartei ÖVP, zitiert eine Textpassage aus dem Vertrag: "Der Arbeitnehmer erklärt seine ausdrückliche und freiwillige Bereitschaft, bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfes eine Tagesarbeitszeit von bis zu zwölf Stunden und eine Wochenarbeitszeit von bis zu 60 Stunden leisten zu wollen."

Eine gleichlautende Formulierung kam in einem bekannt gewordenen Fall eines Hotels in Salzburg zu Anwendung. "Mit so einem Vertrag muss ich freiwillig erklären, dass ich freiwillig auf mein Recht auf Freiwilligkeit verzichte, da ich ansonsten meinen Job verliere bzw. gar nicht bekomme", kritisiert Zangerl.

"Ich kann ihnen von 300 Betrieben berichten, die das nicht machen, und es wird von drei berichtet, die das gemacht haben – aus welchen Gründen immer", sagte die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), Michaela Reitterer, im Gespräch mit dem STANDARD. So wie das Gesetz jetzt formuliert ist, sei es zumindest in der Hotellerie nicht anwendbar.

"Auch wenn man mit den Mitarbeitern eine Übereinkunft erzielt, dass in Ausnahmefällen bis zu zwölf Stunden am Tag bzw. bis zu 60 Stunden in der Woche gearbeitet wird; sobald ich das in einen Dienstplan schreibe, verstoße ich gegen das Gesetz und bin dran", sagte Reitterer. "Jemand kann nach der zehnten Arbeitsstunde sagen, ich mag nicht mehr, ich gehe. Diese Diskussion läuft völlig an der Praxis vorbei."

Forderung nach Feintuning

Reitterer, die als Präsidentin der ÖHV rund 1400 Hotels der Vier- und Fünfsternekategorie in Österreich vertritt, wird heute, Dienstag, bei Terminen im Sozialministerium und im Bundeskanzleramt aus der Praxis plaudern. Sie sagt: "Es wird ein Feintuning geben müssen, dass man das im Sinne aller Beteiligten besser regelt."

Die ÖVP schließt Änderungen am Gesetz nicht mehr aus. Das von der FPÖ geführte Sozialministerium will Verstößen nachgehen und die Arbeitsinspektorate schärfer prüfen lassen. Der erste bekannt gewordene Verstoß gegen das neue Arbeitszeitgesetz betraf eine Hilfsköchin in einem Wiener Gastronomiebetrieb. Sie wurde gekündigt, weil sie den Zwölfstundenarbeitstag verweigerte.

Für Berend Tusch von der Gewerkschaft Vida handelt es sich bei den bekanntgewordenen Fällen alles andere als um schwarze Schafe. "Das hat System. Die Regierung betreibt eine Mitarbeiter-Abschreckungspolitik. Sie ist nicht an einer Attraktivierung der Tourismusbranche interessiert, sondern will die Türen für möglichst viele Billigarbeitskräfte öffnen, sei es durch Aufstockung des Saisonierkontingents, sei es durch geplante Abänderungen der Rot-Weiß-Rot-Karte. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es kein Wunder, dass immer weniger eine Lehre im Tourismus beginnen."

2007 gab es rund 15.000 Jugendliche, die eine Lehre in der Gastronomie und Hotellerie anfingen. Heuer waren es exakt 8905. (Günther Strobl, 5.11.2018)