Peter Goldgruber brach nach Monaten sein Schweigen rund um die BVT-Affäre.

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Die Liste der Personen, denen Peter Goldgruber am Dienstag widersprochen hat, ist lang. Er hatte andere Wahrnehmungen als EGS-Chef Wolfgang Preiszler, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), Staatsanwältin Ursula Schmudermayer, BVT-Chef Peter Gridling und sogar er selbst. So gab er zu, in einem Interview mit dem STANDARD falsche Angaben gemacht zu haben. Doch am Dienstag sorgte nicht nur Goldgrubers Aussage für Aufsehen, zuvor veröffentlichte der "Falter" mehrere Dokumente, die Druckausübung auf die Extremismus-Referatsleiterin G. und die Isolation des BVT im internationalen Zusammenspiel der Dienste belegten. Dennoch wird Innenminister Kickl auch am Mittwoch noch fix in der Herrengasse residieren. Bei Goldgruber ist das nicht ganz so sicher.

"Das habe ich anders in Erinnerung"

Die sprichwörtliche "rauchende Waffe" fand der U-Ausschuss auch am Dienstag nicht. Goldgruber hielt sich strikt an das Skript des Innenministeriums, das seit Anbeginn der Affäre eine ähnliche Erzählung verbreitet: Goldgruber sei über Missstände im Verfassungsschutz informiert worden und sei dann als Generalsekretär verpflichtet gewesen, diese Missstände der Staatsanwaltschaft zu melden. Er hatte das berüchtigte Konvolut vom Wiener Anwalt Gabriel Lansky erhalten – übrigens in dessen Kanzlei. Lansky war wiederum involviert, da laut dem Konvolut seine Daten vom BVT nicht ordnungsgemäß gelöscht wurden.

Allerdings überraschte Goldgruber wiederholt mit Erinnerungen, die anderen Zeugen oder Dokumenten im Untersuchungsausschuss deutlich widersprachen. Etwa in der Frage, wer bei der Einsatzbesprechung vor der Razzia die räumliche Situation im Verfassungsschutz thematisierte. Die Staatsanwältin meinte, es sei EGS-Leiter Wolfgang Preiszler gewesen; der verwies auf Goldgruber; der verwies auf Udo Lett, die zweite Auskunftsperson. Das ist nur ein Beispiel für eine Reihe von Unklarheiten, die nur auf den ersten Blick unwichtig erscheinen mögen. Die Frage, wer vorab wann wusste, dass eine Razzia im BVT bevorsteht, ist jedoch eine der zentralen Punkte des Untersuchungsausschusses.

"Verdächtige" Nachfragen beim Extremismusreferat

Goldgruber widersprach auch der Darstellung von BVT-Chef Peter Gridling, dass er Informationen über verdeckte Ermittler im Umfeld der Burschenschaften einholen wollte. Das Innenministerium gab an, dass Fragen zu diesem Themenkomplex als Vorbereitung für den Nationalen Sicherheitsrat dienten. Diese Antwort wollen Oppositionspolitiker nicht akzeptieren. "Niemals" sei im Nationalen Sicherheitsrat über verdeckte Ermittler gesprochen worden, sagte etwa Peter Pilz.

Außerdem soll Goldgruber dienstrechtliche Konsequenzen für die Extremismus-Referatsleiterin Sibylle G., eine Zeugin der BVT-Ermittlungen, beauftragt haben. Das geht aus einer Befragung von Michaela Kardeis, Generaldirektorin für Öffentliche Sicherheit, hervor. Doch auch hier widersprach Goldgruber.

Goldgruber droht nun eine Anzeige wegen Falschaussage.
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Er meinte, dass er Dienstrechtliches lediglich habe prüfen lassen wollen. Und das auch nur deshalb, weil G.s Büro bei der Razzia so "chaotisch" gewirkt habe. Laut Kardeis sollte G. die Sportabteilung übernehmen oder in den Ruhestand gehen.

Die Oppositionsparteien sehen darin ein weiteres Indiz dafür, dass die FPÖ die Referatsleiterin G. unter Druck setzen und aus dem BVT drängen möchte.

Liederbücher und Treffen im FPÖ-Parlamentsklub

Glaubt man den Oppositionsparteien, dachte man in der FPÖ offenbar, dass die Extremismus-Referatsleiterin G. eine Rolle in der "Liederbuchaffäre" im niederösterreichischen Landtagswahlkampf gespielt hat. G. bestritt jedoch wiederholt, das Liederbuch an Medien weitergegeben zu haben. Goldgruber und Lett bestritten, dass die Liederbuchaffäre eine Rolle in der Causa BVT spielt. Doch in den Befragungen der Staatsanwaltschaften und einer Aussage der Generaldirektorin Kardeis kamen sehr wohl die Liederbücher vor. Für Verwunderung sorgte, dass sich Lett mit der ersten Belastungszeugin in den Räumlichkeiten der FPÖ statt im Innenministerium traf. Das fand Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper in ihrer Befragung heraus. Das ist bürokratisch eine untypische Vermischung von Partei- und Ministeriumsarbeit. Die Zeugen selbst bezeichnete Lett zum Teil als "konfus und eruptiv".

"An alle außer das BVT": Internationale Isolation

Der "Falter" veröffentlichte am Dienstag ein Dokument des finnischen Geheimdienstes, in dem explizit eine Sperre für das BVT vermerkt wurde. Das Dokument solle an alle europäischen Partnerdienste "außer an das BVT-Wien" gehen, heißt es darauf. Inhalt sind Aktivitäten russischer Geheimdienste. Laut Kardeis sei die Sperre aber auf einen länger zurückliegenden Fall von Spionage zurückzuführen.

Konkret geht es um einen BVT-Mitarbeiter namens O., der suspendiert wurde, weil er angeblich Infos nach Russland weitergegeben hatte. Mittlerweile ist O. wieder im Innenministerium aktiv, wo er auch in der BVT-Affäre eine Rolle spielt und Zeugen ans Kabinett Kickl meldet. O. war es, der die Zeugenaussage des ehemaligen deutschen Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer eingefädelt hat, der diese Woche in der "Zeit im Bild 2" angegeben hat, dass das BVT international nicht isoliert ist.

BVT-Chef Peter Gridling befürchtete in einem Brief im Juni selbst, aus dem Geheimdienstgremium Berner Club suspendiert zu werden. Rund um die vermeintliche internationale Isolation kursiert also eine ganze Reihe von Gerüchten und Aussagen, die nicht so recht zueinanderpassen.

Diese Fragen könnten am Mittwoch geklärt werden. Als Auskunftspersonen sind BVT-Chef Peter Gridling und dessen neuer Vize Dominik Fasching vorgesehen. Start der Befragungen ist neun Uhr. (Maria Sterkl, Fabian Schmid, 6.11.2018)