Derzeit klärt eine Untersuchungskommission der Rathausfraktionen die politische Verantwortung für Verspätung und Mehrkosten beim Krankenhaus Nord. Wenn es nach den Neos geht, ist das nicht genug: Sie fordern, dass Politiker bei Fehlentscheidungen, die zu einem Schaden führen, haften. Entscheiden sollen Stadtrechnungshof und Gerichte.

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Wien – Nach bestem Wissen und Gewissen – so sollen Politiker ihre Entscheidungen treffen. Und wenn das nicht der Fall ist, braucht es Konsequenzen. Das sagten die stellvertretende Klubobfrau der Neos, Irmgard Griss, und der Chef der Wiener Neos, Christoph Wiederkehr, am Donnerstag. "Politiker sollen ihre Entscheidungen so sorgfältig treffen, wie es auch Entscheidungsträger in der Privatwirtschaft tun müssen", sagt Griss. Politikerhaftung soll es dann geben, wenn politische Entscheidungsträger "rechtswidrig und schuldhaft" gehandelt haben, ein Schaden müsse dafür entstanden sein.

Konsequenzen wie in der Privatwirtschaft

Zum Vergleich mit der Wirtschaft ziehen die Pinken die "Business Judgment Rule" heran, die dort gelte. Konkret stellen sich die Neos eine Politikerhaftung so vor: Der jeweilige Stadtrechnungshof soll, wenn er Hinweise auf schuldhaftes Fehlverhalten findet, eine Feststellung des Gerichts beantragen. Das Gericht prüft dann die individuelle Verantwortung: Hat die Politikerin oder der Politiker nach bestem Wissen und Gewissen auf einer sorgsam aufbereiteten Entscheidungsgrundlage zum Wohl der Allgemeinheit entschieden oder nicht?

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Krankenhaus Nord als Paradebeispiel

Nicht passiert sei das beim Wiener Bauprojekt Krankenhaus Nord. "In der Untersuchungskommission sehen wir eine fehlende Verantwortungskultur. Wir sehen auch eine fehlende Sorgfalt, dass sachfremde Interessen vorgezogen wurden und dass es obendrein noch ein Anlügen von Bürgern gegeben hat", sagt Wiederkehr. Was er damit meint: Die damalige Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) habe schon länger von Mehrkosten und Verspätungen beim Spitalsbau gewusst, die Öffentlichkeit aber bewusst erst nach der Wien-Wahl 2015 informiert. Wehsely tritt am Dienstag zum ersten Mal in der Untersuchungskommission auf. Als Stadträtin war sie von 2007 bis 2017 für den Krankenanstaltenverbund (KAV) und damit für den Bau des Spitals in Floridsdorf zuständig.

Stadträtin hätte sich umfassend informieren müssen

Die Entscheidung, dass der KAV selbst als Bauherr agieren soll, und die Tatsache, dass er hunderte Gewerke ausgeschrieben hat, verursachten bis heute Kosten, sagt Wiederkehr. Manche Zeugen sprachen von bis zu 500 Millionen Euro. Auch der Rechnungshof habe betont, dass dies eine Fehlentscheidung war. Diese solle also Konsequenzen haben.

Dass in der Untersuchungskommission jener Gutachter, der dieses Modell empfahl, betonte, dass diese Vorgehensweise per se nicht schlecht sei, der KAV dafür aber nicht entsprechend gerüstet war, will Wiederkehr nicht gelten lassen. "Als Stadträtin muss ich mich über den Zustand im KAV informieren und einschätzen können, ob eine solche Vorgehensweise machbar ist."

Freilich: Der Rechnungshof schreibt in seinem Bericht nicht von konkreter Schuld der ehemaligen Stadträtin. Stark kritisiert werden hingegen unter anderem die örtliche Bauaufsicht und die Projektsteuerung – hier gibt es ein laufendes Verfahren, wie auch im Falle der Statikfirma.

Fehlentscheidung zu Beginn des Projekts

Kritisch sieht Wiederkehr aber auch die zunächst angedachte Variante eines Public-Private-Partnership-Modells. In der letzen Sitzung der Untersuchungskommission schilderte ein Zeuge diesbezüglich, dass es keinen Wettbewerb gegeben habe und dass bereits von langer Hand geplant worden sei, mit welchem Konsortium (Porr, Siemens, Vamed) verhandelt wird. Die Entscheidung und das Anlaufen des PPP-Modells fielen noch in die Amtszeit der damaligen Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ).

Welche Möglichkeiten es aktuell gibt

Das Rechtssystem biete zwar die Möglichkeit der Amtshaftung und der Organhaftung, um gegen staatliches Fehlverhalten vorzugehen, sagen Griss und Wiederkehr. Fügt ein Staatsbediensteter jemandem durch rechtswidriges Verhalten Schaden zu, haftet vorerst die jeweilige Gebietskörperschaft, die sich das Geld vom betroffenen Beamten oder Politiker via Regressforderung zurückholen kann, wenn dieser grob fahrlässig gehandelt hat.

In der Praxis werden solche Ansprüche aber so gut wie nie geltend gemacht, sagen Griss und Wiederkehr. Zudem obliege es den jeweiligen Ministerien, Ersatzansprüche geltend zu machen. Im Falle von Fehlverhalten auf Ministerebene müsste der Minister also gegen sich selbst vorgehen. Die Neos betonen daher die Notwendigkeit, die Klagsbefugnis zu verlagern.

Bei zu hohen Wahlkampfkosten: Geldstrafe

Ein weiteres Beispiel könnten die Überschreitungen bei den Wahlkampfkosten sein. Hier steht nicht nur Fahrlässigkeit, sondern gar Vorsatz im Raum – der STANDARD berichtete. Hier haben die Neos allerdings eine andere Forderung im Sinn: 150 Prozent des Überschreitungsbetrags sollen zurückgezahlt werden.

Ob andere Parteien den Vorstoß der Pinken für eine Politikerhaftung unterstützen, ist noch nicht klar. Wiederkehr: "Mir geht es darum, einmal anzusprechen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, Verantwortung zu übernehmen." Griss hofft, dass eine solche Regelung präventiv wirkt. Politiker müssten dabei nicht den ganzen Schaden abdecken, es reiche, wenn sie einen "gewissen Betrag" zahlen. (Lara Hagen, 8.11.2018)