Ich bin schockiert, schockiert", würde der Polizeichef aus dem Filmklassiker "Casablanca" wohl zur Nachricht sagen, dass ein österreichischer Bundesheeroffizier jahrelang für Russland spioniert hat. Dass der Kreml überall in der Welt seine Informanten anheuert oder einschleust und nicht um Österreich einen großen Bogen macht, sollte niemanden überraschen.

Es wäre daher für die Regierungsspitzen nicht notwendig gewesen, damit frühmorgens vor die Presse zu treten und einen diplomatischen Eklat auszulösen – einschließlich der Absage einer Moskau-Reise von Außenministerin Karin Kneissl. Schließlich ist es kein neuer Fall: Der verdächtigte Oberst war schon seit den 1990er-Jahren aktiv und ist seit längerem in Pension. Die hochgespielte Dramatik, mit der ÖVP und FPÖ auf die Causa reagieren, zeigt vielmehr, auf welch wackeligen Beinen ihre Russland-Politik steht.

Österreich ist seit Anbeginn der Zweiten Republik eine recht klare Linie gegenüber Moskau gefahren: Man spricht miteinander, man arbeitet pragmatisch zusammen, man macht Geschäfte – aber man biedert sich nicht an und steht klar zur westlichen Wertegemeinschaft. "Neutralität, nicht Neutralismus" lautete die Devise in der Zeit des Kommunismus. Das wäre auch heute noch, da Präsident Wladimir Putin nach innen und nach außen so manche sowjetische Praxis wiederbelebt hat, der richtige Weg.

Balanceakt

Doch nun sitzt mit der FPÖ eine Partei in der Regierung, deren Funktionäre Putin anhimmeln und Russland als wahren Verbündeten betrachten. Das bringt das Land in der EU in Verruf und zwingt Kanzler Sebastian Kurz, der als proeuropäisch gelten will, zu einem heiklen Balanceakt. So kritisiert Wien zwar die wegen der Ukraine verhängten Sanktionen, stimmt aber stets für deren Verlängerung.

Zuletzt ist diese Politik allerdings aus dem Lot geraten. Die Nichtausweisung von Diplomaten nach dem Giftanschlag von Salisbury, die vielen Besuche von Regierungsvertretern in Russland, ja auch Kneissls peinliches Hochzeitstänzchen mit Putin: Österreich handelt sich bei EU-Partnern einen Ruf der Unzuverlässigkeit ein. Das mag die FPÖ nicht stören, viele in der ÖVP sehr wohl.

Die Hintergründe der Spionageaffäre bleiben unklar. Aber diese bietet der Regierung jedenfalls einen Anlass, wieder etwas mehr auf Distanz zu Putin zu gehen. Dass dies tatsächlich geschieht, ist ein gutes Zeichen. (Eric Frey, 9.11.2018)