Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familie beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.

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In Österreich erfolgen knapp 90 Prozent der Scheidungen einvernehmlich. Aber leider läuft es nicht immer so friedlich ab. Oft stehen sich die Eltern aber nicht nur im Scheidungsverfahren vor Gericht gegenüber, sondern es wird auch um die Obsorge, das Kontaktrecht und den Kindesunterhalt gestritten.

Kein Übergehen von Anträgen möglich

Wenn der Streit richtig eskaliert, kommt es sogar vor, dass ein Elternteil ständig Anträge bei Gericht einbringt, nur um den anderen zu schikanieren. Ein Rosenkrieg ist nicht nur für die Beteiligten eine enorme psychische und finanzielle Belastung, sondern stellt auch die Gerichte vor große Herausforderungen. Denn auch unberechtigte Anträge dürfen nicht einfach übergangen werden, und ohne ein Beweisverfahren kann ein Richter kaum beurteilen, welche Version der Geschichte tatsächlich stimmt.

Schadenersatz könnte Thema sein

Wenn ein Elternteil bewusst unwahre Behauptungen im Verfahren aufstellt oder mutwillig Anträge bei Gericht stellt, obwohl sein Standpunkt von vorneherein vollkommen aussichtslos ist, macht er sich aber unter Umständen schadenersatzpflichtig. Bei beleidigenden oder verletzenden Äußerungen in schriftlichen Eingaben kann das Gericht auch eine Ordnungsstrafe verhängen.

Wenn ein Elternteil im Verfahren nicht auf die Bedürfnisse der von ihm im Verfahren vertretenen Kinder Rücksicht nimmt, sondern seine eigenen Interessen verfolgt (zum Beispiel mutwillig im Namen der Kinder Anträge stellt), kann das Gericht auch einen Kollisionskurator bestellen, der ausschließlich die Interessen des Kindes vertritt.

Konfliktpotenzial gemeinsame Obsorge

Besonders problematisch ist, dass in der Regel die Kinder am meisten unter der Situation leiden, weil sie in die Streitigkeiten ihrer Eltern hineingezogen werden. Vor allem die gemeinsame Obsorge birgt jede Menge Konfliktpotenzial, weil jeder Elternteil eine Entscheidung des Gerichts beantragen kann, wenn sich die Eltern in wichtigen Angelegenheiten nicht einigen können.

Variante Kinderbeistand

Auch das Kontaktrecht ist oft Anlass für langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen. Je länger die Streitigkeiten dauern, desto schwieriger ist es, eine Lösung zu finden. Um hier rasch für klare Verhältnisse zu sorgen, kann das Gericht eine vorläufige Regelung treffen, die sofort verbindlich und auch vollstreckbar ist.

Damit die Interessen der Kinder gewahrt werden, kann bei eskalierenden Streitigkeiten auch ein sogenannter Kinderbeistand bestellt werden. Dabei handelt es sich um eine psychologisch geschulte Person, die das Kind als Vertrauensperson im Verfahren unterstützt und dem Gericht die Wünsche und Bedürfnisse des Kindes mitteilt. Diese Möglichkeit wird in der Praxis auch häufig genutzt und bewährt sich sehr, weil die Kinder regelmäßig einem massiven Loyalitätskonflikt ausgesetzt sind und es für sie daher eine große Erleichterung ist, wenn sie ihre Bedürfnisse einer neutralen Person anvertrauen können und das Gefühl bekommen, dass ihre Wünsche respektiert werden.

Aufgetragenes Erstgespräch

Außerdem kann das Gericht den Eltern den Besuch einer Eltern- oder Erziehungsberatung oder die Teilnahme an einem Erstgespräch über eine Mediation auftragen. In vielen Fällen tragen diese Maßnahmen dazu bei, dass sich die Wogen zwischen den Eltern wieder glätten und das Gesprächsklima sich verbessert.

Beugestrafen

Wenn sich ein Elternteil trotzdem hartnäckig weigert, eine gerichtliche Kontaktregelung umzusetzen, oder sich nicht an eine sonstige Verfügung des Gerichts hält, sind auch Beugestrafen möglich. Vor allem wenn ein Elternteil gezielt versucht, die Kinder zu beeinflussen und auf seine Seite zu ziehen, sollten die Gerichte rasch handeln, um zu verhindern, dass sich die Kinder vom anderen Elternteil entfremden.

Streit nicht eskalieren lassen

Zwangsmaßnahmen können allerdings auch dazu führen, dass sich die Fronten noch mehr verhärten. Am wichtigsten ist es daher, dass die Eltern selbst versuchen, den Streit nicht eskalieren zu lassen. Auch wenn die persönliche Kränkung nach einer Trennung in vielen Fällen durchaus nachvollziehbar ist, sollten die Eltern sich vor Augen führen, dass sie für das Wohl ihrer Kinder verantwortlich sind und zumindest in Erziehungsangelegenheiten eine Gesprächsbasis finden müssen. (Carmen Thornton, 14.11.2018)