Bürgermeister Georg Willi ist gegen neue Verbote, kann aber der rechten Mehrheit nichts entgegensetzen.

Foto: Florian Lechner

Innsbruck – Immerhin ein Jahr ist in Innsbruck vergangen, ohne dass die Stadtpolitik eine neue ordnungspolizeiliche Maßnahme beschlossen hat. Zuletzt sorgte im Oktober 2017 das Nächtigungsverbot für Obdachlose für österreichweite Schlagzeilen. Nun wollen ÖVP, Für Innsbruck (FI) und FPÖ mit einem neuen Alkoholverbot im Stadtteil Wilten die Innsbrucker Tradition fortführen und auf ein soziales Problem mit einer sicherheitspolitischen Maßnahme reagieren.

Seit 2001 bedient man sich in der Tiroler Landeshauptstadt mit Vorliebe solcher Verbote, um unerwünschtes Verhalten im öffentlichen Raum zu sanktionieren – von Alkoholkonsum über Betteln bis zum Nächtigen im Freien. Im aktuellen Fall geht es um Anrainerbeschwerden rund um eine Einrichtung für Suchtkranke der Caritas im Stadtteil Wilten. Pikantes Detail dabei: Das Gebiet rund um die sogenannte Mentlvilla wurde erst durch die stetig wachsende Zahl an Verbotszonen in der Innenstadt zum Hotspot. Dass man nun erneut mit Verdrängung reagiert, ruft Kritiker auf den Plan.

"Probleme verschieben oder lösen?"

Allen voran Bürgermeister Georg Willi (Grüne). Der hat keine Freude mit dem, was seine Regierungspartner FI und ÖVP zusammen mit der FPÖ planen: "Wollen wir Politiker sein, die Probleme verschieben oder die Probleme lösen?" Doch die Mandatsverteilung in Stadtsenat sowie Gemeinderat lassen ihm keine Wahl. Die drei Verbotsbefürworter haben in beiden Gremien die Mehrheit. Willi hofft zwar, sie noch mittels Maßnahmen in Kooperation mit Sozialeinrichtungen umzustimmen, doch gegenüber dem STANDARD erklären alle drei Parteien, am geplanten Verbot festzuhalten.

Der Leiter der Drogenabteilung im Krankenhaus Hall und Gesundheitssprecher der Innsbrucker Gemeinderatsfraktion ALI, Ekkehard Madlung-Kratzer, kritisiert die Kurzsichtigkeit der Verbotspolitik: "Jeder Politiker sollte mittlerweile verstanden haben, dass so etwas nur eine kurzfristige Entlastung für Anrainer vor Ort bringt, aber keine Lösung." Repressive Maßnahmen würden die Probleme langfristig sogar verschlimmern, weil solche Verbote eine zusätzliche Stigmatisierung bedeuten, so Madlung-Kratzer. "Wir müssen das Ganze umdenken. Derzeit schürt die Politik nur Ängste."

"Sozialpolitik ist Sicherheitspolitik"

Sozialstadtrat Franz Gruber (ÖVP) räumt sogar ein, dass das geplante Alkoholverbot in Wilten eine weitere Verdrängung bewirken wird. Trotzdem beharrt er darauf: "Weil Sozialpolitik auch Sicherheitspolitik ist." Er verweist darauf, dass selbst die Caritas dem Vorhaben zustimme. Wobei Caritas-Direktor Georg Schärmer auf Nachfrage klarstellt, dass er zwar verstehe, dass Handlungsbedarf bestehe, aber mit einem Verbot zu reagieren erinnere ihn an das "Florianiprinzip". Auch Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose hat kein Verständnis: "Jede dieser Maßnahmen führte bisher dazu, dass sich andernorts die Lage zuspitzte."

Auch andere Landeshauptstädte setzen auf Verbotspolitik. Mit mäßigem Erfolg. In Salzburg wurde das Bettelverbot vom VfGH gekippt, und das Alkoholverbot erweist sich als schwer umsetzbar. In Graz gilt auf dem Hauptplatz Alkoholverbot, wobei man bei Würstelstandln kulant ist. In Bregenz sind etwa Glasflaschen am Seeufer verboten und auch Taubenfüttern. Selbst in Eisenstadt darf in der FuZo nur in Schanigärten gezecht werden. In Wien gilt seit Ende April ein Alkoholverbot am Praterstern, eine Einführung eines solchen in Floridsdorf wird diskutiert. (ars, jub, neu, ruep, wei, mue, kim; 15.11.2018)