Die Bundesregierung will es vereinfachen, Hasspostings juristisch zu verfolgen – doch das könnte einen negativen Nebeneffekt haben.

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Bisher hatten Online-Piraten in Österreich ein einfaches Spiel. Internetanbieter dürfen die Identitäten ihrer Nutzer nicht weitergeben. Demnach gibt es für Kläger keine legale Möglichkeit herauszufinden, wer hinter einer IP-Adresse steckt: Nur Staatsanwälte dürfen die Herausgabe anordnen – allerdings erst, wenn feststeht, wer der Inhaber des Anschlusses ist, über den eine Urheberrechtsverletzung erfolgt ist. Somit können Rechteinhaber in der Praxis kaum gegen Verstöße vorgehen.

Das könnte sich mit dem "digitalen Vermummungsverbot" nun ändern. Die Regierung möchte gegen Hass im Netz vorgehen – und dazu die Anonymisierung im Internet einschränken. Wie der Rechtsanwalt Lukas Feiler der Kanzlei Baker McKenzie gegenüber dem STANDARD erklärt, sei denkbar, dass IP-Adressen künftig relevant sein könnten. Die Auskunftspflicht könnte, um Hasspostings juristisch zu verfolgen, auf Privatkläger ausgeweitet werden.

Urheberrechtsverletzungen weitaus häufiger

Das würde bedeuten, dass Plattformen die IP-Adressen von Nutzern weitergeben müssen. "Bei der aktuellen Diskussion geht es angeblich um Beleidigungen, also um Privatanklagedelikte, die vom Opfer selbst verfolgt werden müssten", sagt Feiler. "In der Praxis weitaus bedeutender als Rufschädigung sind aber Urheberrechtsverletzungen." Abhängig von der neuen gesetzlichen Regelung könnten Urheber bei dem Verdacht auf einen Verstoß die Daten eines Nutzers verlangen und somit Verletzungen effektiver ahnden.

"Wenn man beginnt, darüber nachzudenken, für Privatanklagedelikte ein Auskunftsrecht zu geben, sollte man das zu Ende denken", kritisiert Feiler. "Auch für das Urheberrecht werden die Pforten geöffnet – mit nicht absehbaren Ergebnissen." Nicht nur illegal heruntergeladene Filme würden das Urheberrecht verletzen, sondern etwa auch Memes, also satirische Bilder. "Hier geht es um die Abwägung der Rechte der Opfer und jener der Nutzer."

IP-Adresse sagt nicht aus, wer Rechtsbruch begangen hat

Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó erläutert gegenüber dem STANDARD, mit der IP-Adresse sei nicht identifiziert, wer einen Rechtsbruch begangen hat. Das zeige ein aktueller Fall, der vor dem Europäischen Gerichtshof landete (EuGH): Der Inhaber eines Internetanschlusses in Deutschland bestritt, selbst eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben, gab aber auch keine Familienmitglieder an, die den Anschluss genutzt hätten.

Der EuGH kam zu dem Entschluss, dass der Inhaber für seine Familie haftet, sofern kein eindeutiger Täter identifiziert werden kann. Keine Vorratsdaten"Auch im Ausgangsfall Maurer wird geradezu erdrückend deutlich, dass weder die IP-Adresse noch eine Klarnamenspeicherpflicht irgendein Problem gelöst hätten", sagt Forgó. Bei dem Fall hatte ein Bierlokalbetreiber ihr mit seinem Facebook-Account anzügliche Nachrichten geschickt. "Trotzdem ließ sich nach Ansicht des Erstgerichts nicht zweifelsfrei beweisen, dass der Accountinhaber selbst von seinem Rechner gepostet hätte."

Speicherpflicht möglich

Zwar sei eine Speicherpflicht möglich, Forgó stellt aber infrage, ob "das europarechtlich und verfassungsrechtlich zulässig wäre". Eine flächendeckende Speicherpflicht (und Herausgabepflicht) war bereits mit der Vorratsdatenspeicherung geplant, die 2012 und 2016 vom EuGH gekippt wurde.

Feiler betont, dass eine Weitergabe grundrechtlich zulässig sei, sofern keine Daten auf Vorrat gespeichert werden. Somit sei es möglich, eine Person so lange auszuforschen, wie sie dieselbe IP-Adresse nutzt, bevor ihr (automatisiert) eine neue zugewiesen wird. "Manche Provider vergeben über einen Monat lang dieselbe IP-Adresse", erklärt Feiler. (Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid, 15.11.2018)