Zuletzt hat der 41-köpfige "Rat für deutsche Rechtschreibung" die Veränderung unserer Schreibegepflogenheiten mit gemischten Gefühlen beobachtet. Nun sollte er sich konkret dazu äußern, wie wir uns verbindlich geschlechtergerecht ausdrücken sollen.

Normalerweise stellt für ein solches Gremium die Einhaltung von Regeln den höchsten Daseinszweck dar. Wie viel weniger gilt ihm der Hinweis, es hält der Sprachgebrauch, gerade wenn er regelkonform erfolgt, das weibliche Geschlecht vollständiger verborgen, als es uns allen, Männern wie Frauen, lieb sein kann. Und tatsächlich: Eine mit rasendem Herzklopfen verfolgte Sitzung des hochlöblichen Rates fand am Freitag in Passau statt. Sie endete nur leider wie das Hornberger Schießen.

Keine konkrete Empfehlung, nirgends. Der Rat erinnerte lediglich an die allgemeinsten Kriterien der Sprachbenutzung, wie sachliche Korrektheit, Verständlichkeit, Vorlesbarkeit et cetera. Das erlauchte Gremium appelliert inständig an seine Schäfchen, die Sprachbenutzer. Diese mögen sich einer "angemessenen sprachlichen Bezeichnung" auch solcher Menschen befleißigen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen.

Ansonsten treten die Mitglieder des Rates lieber in die Fußstapfen von König Salomo. Der Hinweis auf Unterstrich und Genderstern verrät die Unsicherheit, anderen etwas anzuschaffen, was Dritten – den Betroffenen – einen höheren Grad an Freiheit einräumen würde.

Ratsvorsitzender Josef Lange ließ es lieber bei der Feststellung bewenden, dass die Sprache "ein lebendig’ Ding" sei. Erst in vier bis fünf Jahren wollen die Schreibfachkräfte aus den deutschsprachigen Ländern zu einer abschließenden Einschätzung gendergerechten Schreibens gelangen. Derweil kann jeder an der Sprache herumfingern, wie es ihm beliebt. Das springlebendige Ding wird dem Benutzer mit Lebhaftigkeit vergelten, was dieser übergriffig an ihm verübt. (Ronald Pohl, 16.11.2018)