Im August kündigten Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) und Gemeinderat Christoph Chorherr (Grüne) eine Offensive für den geförderten Wohnbau an, in dem eine neue Widmung "geförderter Wohnbau" geschaffen wird. Im Umsetzungsentwurf zu Bauordnung und Förderungsgesetz hieß es dann, dass für solche Liegenschaften ein Ankaufpreis nachzuweisen ist, der dem Limit der Wohnbauförderung entspricht (188 Euro pro Quadratmeter oberirdische Bruttogrundfläche). Dies sollte "für den überwiegenden Teil der Wohnnutzfläche" gelten – nach üblichem Sprachverständnis also für knapp über die Hälfte. Am 5. November stellten Gaal und Chorherr Näheres vor: Gut 50 Prozent sollen nicht mehr reichen – der Ehrgeiz ist auf ganze zwei Drittel gewachsen. Anlass genug, zugrundeliegende Fehleinschätzungen und tatsächlich erwartbare Auswirkungen zu analysieren.

Laut Chorherr ist in den vergangenen Jahren der Anteil des geförderten Wohnbaus an der gesamten Neubauleistung von drei Vierteln auf ein Drittel zurückgegangen. Der grüne Planungssprecher führt das auf die steigenden Grundstückspreise zurück. In Wirklichkeit sind die Gründe vielschichtig – aber in Zeiten des Populismus setzt man lieber auf den zuletzt inflationär eingesetzten Vorwurf der Spekulation.

Die Stadt Wien verwies kürzlich stolz auf ihre Grundstücksbevorratung, sodass sie über Flächenreserven von über 2,7 Millionen Quadratmetern verfüge und in ihrer "Wohnbauoffensive 2018-2020" baureife Baugrundstücke für rund 14.000 Wohnungen auslobe. Warum also sollte zusätzlich eine plötzliche und drastische Neuregelung ohne erkennbare Übergangsbestimmungen nötig sein? Umso mehr, als angekündigte Schritte wie die neuen Gemeindewohnungen und die Nachverdichtung der Nachkriegssiedlungen auf sich warten lassen.

Zwei-Drittel-Quote

"Mit der neuen Widmung kurbeln wir den leistbaren Wohnbau im ganzen Stadtgebiet an", zeigt sich Gaal überzeugt. Das Gegenteil ist zu befürchten, denn die Zwei-Drittel-Quote gefährdet die im Stadtentwicklungsplan proklamierte Mobilisierung von Bauland. Bauträger können Grundstücke für geförderten Wohnbau von privaten Eigentümern bisher und zukünftig nur akquirieren, wenn sie mit freifinanzierten Wohnungen die auf den geförderten Anteil entfallenden Grundkosten entlasten. Prima vista sieht der Unterschied zwischen 51 Prozent und 67 Prozent klein aus – aber der Sprung limitiert die Quersubventionierung beträchtlich. Zur Veranschaulichung das Bild eines Tandems, auf dem zuvor zwei jeweils 50 Kilogramm schwere Radfahrer saßen. Welchen Antrieb erzeugt ein Fahrer mit 33 Kilogramm noch, wenn er einen 67 Kilogramm schweren Kollegen mitzieht, der nur ganz leicht in die Pedale tritt?

In zwei Bereichen wird der Motor nun ins Stottern geraten:

· Viele Projekte, die seit Jahren im Dialog mit der Stadt Wien entwickelt werden, müssten unter nun völlig veränderten Rahmenbedingungen mit erheblichem Planungsaufwand neu aufgesetzt werden. Die meisten Vorhaben aber sind dann schlichtweg nicht mehr wirtschaftlich zu realisieren.

· Der Effekt auf die Verfügbarkeit wohnbaugeeigneter Grundstücke wird ins Gegenteil verkehrt. Die gut gemeinte Maßnahme kündigt an, den für Potenzialflächen erzielbaren Preis auf einen Bruchteil des bisher Üblichen zu senken. Klingt beeindruckend, aber Grundeigentümer werden dann kaum noch an (seien es gemeinnützige oder gewerbliche) Entwickler verkaufen. Seit der Finanzkrise trennt man sich nur noch schwer von Grund und Boden.

Vernünftigere Bestimmungen

Auch wenn die Bevölkerung nicht mehr ganz so stark wächst, besteht im Wohnbau großer Nachholbedarf, und Wien benötigt jährlich mindestens 10.000 neue Wohnungen. Was hilft der wachsenden Stadt nunmehr? Ein Zwei-Drittel-Anteil an leistbaren Wohnungen bei gedrosselter Produktion – sagen wir zwei Drittel von 5000, also rund 3300 geförderte Wohnungen pro Jahr? Oder 50 Prozent leistbare Wohnungen der bis dato als realistisch eingeschätzten Produktion – sagen wir 50 Prozent von 10.000, also rund 5000 geförderte Wohnungen p. a.?

Ein wenig Zeit bleibt noch, die Bestimmungen – durchaus in Einklang mit den städtischen Zielen – vernünftiger zu gestalten. Was wäre zu tun?

Eine Einengung der Stadtplanung mit fixen Ziffern vergisst, dass jedes Projekt eigene Rahmenbedingungen hat. Signalwirkung und Dämpfung der Bodenpreise erreicht auch eine Bandbreite zwischen 50 und 67 Prozent für den Anteil leistbarer Wohnungen.

Zu berücksichtigen ist, dass die Stadtplanung in den letzten Jahren neben dem leistbaren Wohnen weitere wichtige Ziele definiert hat, wie das "Fachkonzept Produktive Stadt", die Stärkung von Bezirkszentren und die Co-Finanzierung von Infrastruktur. Projekten, die diesen Zielen schwerpunktmäßig entsprechen, muss dieser Mehrwert angerechnet werden.

Derart kurzfristig angekündigte Änderungsmaßnahmen benötigen angemessene Übergangslösungen. Für die Projekte jener Entwickler, die Flächen unter den bislang gültigen Rahmenbedingungen angekauft und seither im Dialog mit der Stadtplanung konsistente Entwicklungsschritte gesetzt haben, sind Einschleifregelungen unbedingt erforderlich. (Klaus Wolfinger, 20.11.2018)