Theresa May auf dem Weg in die Höhle des Löwen: das Unterhaus.

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Begleitet von den Maximalforderungen ihrer Brexit-Ultras ist die britische Premierministerin am Mittwoch nach Brüssel gereist. Beim Treffen von Theresa May und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte es vor allem um Details der zukünftigen Zusammenarbeit zwischen den EU-27 und dem zukünftigen Drittland gehen. Man hätte "sehr gute Fortschritte" dabei erzielt, lautete es dann am späten Abend. Die Arbeit gehe aber weiter. Am Samstag wird May wieder nach Brüssel kommen, um weiter mit Juncker zu verhandeln.

Die konservative Regierungschefin May steht zu Hause unter hohem Druck, das vergangene Woche bekanntgegebene vorläufige Verhandlungspaket noch zu verschönern. Weil der 585-seitige Entwurf für den Austrittsvertrag als weitgehend unantastbar gilt, konzentrieren sich die Anstrengungen von May und ihrem EU-Berater Oliver Robbins auf die politisch wichtige, wenn auch rechtlich nicht bindende Erklärung über die zukünftige Zusammenarbeit.

Spanien hatte Bedenken zum Status von Gibraltar geäußert. Auch am Mittwochabend betonte der spanische Premier Pedro Sanchez, gegen den Vertragsentwurf zu stimmen, sollte es nicht zu einer Einigung zu Gibraltar kommen. Diplomaten zufolge sind auch noch Fragen zu Fischerei und Handel offen.

Der bisher siebenseitige Entwurf der Erklärungüber die zukünftige Zusammenarbeit sei in weiteren Gesprächen bereits substanzieller geworden und umfasse nunmehr zwei Dutzend Seiten, hieß es dazu in London.

Dorthin eilt heute, Donnerstag, der derzeitige EU-Ratspräsident, Kanzler Sebastian Kurz, um seiner Amtskollegin und Gesinnungsfreundin den Rücken zu stärken.

Innerparteiliche Putschgefahr

Sorge vor einem innerparteilichen Putsch muss May einstweilen wenigstens nicht mehr haben. Kleinlaut mussten die Brexit-Ultras um Jacob Rees-Mogg einräumen, dass die nötigen 48 Stimmen für eine fraktionsinterne Vertrauensabstimmung nicht zusammengekommen sind. Dafür droht der konservativen Minderheitsregierung Gefahr durch die nordirische Unionistenpartei DUP.

Diese stimmte am Dienstag entgegen ihrer Vereinbarung mit den Tories gegen Teile des Budgetgesetzes. Weil aber Labour auf die DUP-Rebellion nicht vorbereitet war, erlitt May keine Niederlage. Dadurch wirkte Oppositionsführer Jeremy Corbyn wenig glaubwürdig, als er am Mittwoch May erneut zum Rücktritt aufforderte.

Gratwanderung

Welch schwierige Gratwanderung May in der eigenen Fraktion zu bewältigen hat, offenbarte am Mittwoch die allwöchentliche parlamentarische Fragestunde. Während der neue Brexit-Minister Stephen Barclay mit stiller Zufriedenheit seinen Platz auf der Regierungsbank einnahm, als könne er sein Glück über die unverhoffte Beförderung kaum fassen, saß Penelope Mordaunt mit eisiger Miene neben der Chefin.

Die Entwicklungshilfeministerin gehört zu jenem Ministerquintett von Brexiteers, das anders als Barclays Vorgänger Dominic Raab im Kabinett verblieben ist. Man wolle die Vereinbarung mit der EU verbessern, anstatt sie in Bausch und Bogen abzulehnen, hieß es zur Begründung, was bei Brexit-Ultras für Hohn und Spott sorgte.

Die mit Raab zurückgetretene Esther McVey wollte von May eine Garantieerklärung, dass das Land, wie geplant, Ende März die EU verlassen werde. Dies bestätigte May ebenso wie den Wunsch des konservativen EU-Freundes Nicholas Soames: Großbritannien solle auch künftig möglichst eng mit den europäischen Verbündeten kooperieren. May: "Wir verlassen die EU, aber nicht Europa."

Abstimmung im Unterhaus

Bleibt es dabei? Die Abstimmung im Unterhaus über das Paket aus Austrittsvertrag und politischer Erklärung ist für 10. Dezember geplant. Bisherige Äußerungen der Fraktionschefs sowie von anderen einflussreichen Parlamentariern sprechen dafür, dass die Regierung mit einer Ablehnung rechnen muss. Gleichzeitig sind Labour sowie konservative EU-Freunde dazu entschlossen, dem Chaos-Brexit einen Riegel vorzuschieben. "Dafür gibt es im Unterhaus keine Mehrheit", glaubt McVeys Nachfolgerin als Sozialministerin, Amber Rudd, und warnte ihre Parteirechte: "Der Brexit könnte ihnen verlorengehen."

Das von EU-Freunden ins Auge gefasste zweite Referendum müsste allerdings zunächst in ordentlichem Gesetzverfahren vom zerstrittenen Unterhaus beschlossen werden. "Das würde Monate dauern und eine Fristverlängerung nötig machen", argumentiert Bernard Jenkin, Chef des Verwaltungsausschusses. (Sebastian Borger, red, 21.11.2018)