Bernadette Redl beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Manchmal hört sie Geschichten aus dem Gesundheitssystem und erzählt sie hier.

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Das Schlimmste vermeiden – das kann die Grippeimpfung, auch wenn es keine Garantie gibt.

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Ich weiß, dass die Grippeimpfung mich nicht garantiert vor der Infektion schützt. Die Chancen, dass ich nach der Spritze immun bin, liegen irgendwo zwischen 40 und 70 Prozent. Das hält mich aber nicht davon ab. Ich gehe jedes Jahr zur Impfung.

Klar, ich tue es für mich selbst. Aber nicht nur. Was ist, wenn ich zum Beispiel in der U-Bahn meine Viren an kleine Kinder, chronisch Kranke oder alte Menschen übertrage? Für sie wäre eine Erkrankung ein viel härterer Schlag.

Zum Glück denken in meiner Umgebung einige Menschen so wie ich – ein guter Schritt in Richtung Herdenschutz. Zum Beispiel ein Bekannter, der mir letztens von seinen Versuchen, sich impfen zu lassen, erzählt hat.

Teure Impfung

Das Angebot des Arbeitsmediziners, sich in seinem Betrieb gegen die Grippe impfen zu lassen, hatte er verpasst. Also begann er zu recherchieren: Wo kann man sich sonst noch impfen lassen? Vom Hausarzt bekam er die Auskunft: Impfstoff in der Apotheke kaufen (kostet 22 Euro), dann damit vorbeikommen und sich impfen lassen (kostet 15 Euro). Ein teures Unterfangen, wenn man bedenkt, dass in den Impfstellen des Gesundheitsdienstes (MA 15) beides zusammen nur 13,90 Euro kostet.

Dafür allerdings, so musste er schnell feststellen, zahlt man hier mit Zeit. Denn die neun Impfstellen der Stadt haben pro Woche an drei Tagen jeweils für zwei Stunden geöffnet. Anmeldeschluss ist allerdings nur bis eine Stunde nach Beginn. De facto also: Sich für die Grippeimpfung anmelden geht in lediglich drei Stunden pro Woche.

Dementsprechend groß ist der Andrang. Als er 15 Minuten vor Anmeldebeginn in der Impfstelle war, so erzählte mir mein Bekannter, zog er bereits die Nummer 78 – dementsprechend viele Menschen waren vor ihm an der Reihe.

35 Sitzplätze

Der Warteraum war zum Bersten voll. Darunter viele ältere Menschen, teilweise mit Begleitpersonen. Sitzplätze gab es lediglich 35. Aus der schnellen Impfung in der Mittagspause wurde also nichts. Die Wartezeit, so die Prognose der Sanitäter, die Anmeldung und Ablauf in der Impfstelle regeln: etwa zwei Stunden. Beim nächsten Mal früher kommen, war ihr Rat.

Ein guter, wie sich zwei Tage später herausstellen sollte. 45 Minuten vor Anmeldestart war mein Bekannter am zweiten Tag vor Ort. Seine Position in der Schlange: Nummer drei. Und dennoch, bis er schließlich dran und mit der Impfung fertig war, vergingen fast anderthalb Stunden.

Ein unzumutbarer Zustand in einem Land, in dem Grippeimpfung für alle empfohlen wird. Ideal sind die Bedingungen etwa in der Schweiz, wo sich Bürger in jeder Apotheke gegen die Grippe impfen lassen können. (Bernadette Red, 25.11.2018)