Otto Roiss ist geschäftsführende Gesellschafter des Beregnungsspezialisten Bauer. Er stieß als Sanierer zu "Pumpen-Bauer". 2003 übernahm er zusammen mit Partnern das Unternehmen mittels Management-Buy-out und richtete es neu aus.

STANDARD: In alten Zeiten waren Regenmacher Personen, die mittels magischer Rituale für Regen sorgten. Sie sind gewissermaßen auch Regenmacher – mit null Magie, dafür mit viel Hightech?

Roiss: Da haben sie recht. Das mit der Magie, glaube ich, ist früher aber auch nur gespielt worden. Es gab schon damals Menschen, die wesentlich mehr Ahnung von Naturvorgängen hatten als andere. Sie waren daher in der Lage, aus Sicht einfacher Bauern oder Bürger magische Dinge zu machen.

STANDARD: Sie müssen gar nicht mehr so weit in die Ferne schweifen, um trockene Landschaften zum Blühen zu bringen, die Dürren rücken immer näher.

Für Otto Roiss ist die Bauer Group, die er vor 15 Jahren mittels Management-Buy-out übernommen hat, gleichzeitig sein Hobby. Beregnungsanlagen aus Voitsberg finden sich von Laos bis Feuerland.
Foto: Regine Hendrich

Roiss: Ich wäre etwas vorsichtig mit Verallgemeinerungen. Wir haben nicht weniger Niederschläge, wir haben sie nur nicht mehr so gleichmäßig. Einmal vertrocknen wir, dann ersaufen wir förmlich. Für Menschen in vielen Ländern wird es immer schwieriger, damit umzugehen. Vielen bleibt am Ende oft nur noch die Flucht irgendwohin, wo es besser ist.

STANDARD: Wasser wird zunehmend kostbarer?

Roiss: Das war es immer. Künstliche Beregnung wird oft irrtümlich als Wasserverschwendung gesehen – gerade das Gegenteil ist der Fall. Wir sind bald acht Milliarden Menschen, die müssen ernährt werden. Die Kunst ist es, den Pflanzen die passende Menge Wasser zum richtigen Zeitpunkt zuzuführen, damit auch alle anderen landwirtschaftlichen Produktionsfaktoren wie Maschinen, Saatgut und Dünger optimal genutzt werden können. Nur mit mechanischer Beregnung wird eine optimale Ausnutzung der eingesetzten Mittel gewährleistet.

STANDARD: Was machen Sie in Gegenden, wo es sehr trocken ist und die Sie beregnen sollten?

Roiss: Wir brauchen nutzbare Wasserreservoirs wie Flüsse, Grundwasser oder künstlich angelegte Teiche und zusätzlich den Willen und die Möglichkeit zur Finanzierung. Trifft eine dieser Voraussetzungen nicht zu, kann man kein Beregnungssystem bauen.

STANDARD: Sie sehen sich bzw. Ihr Unternehmen also nicht als Profiteur der Erderwärmung?

Roiss: Es geht hier nicht um die Erderwärmung, sondern um Wetterextreme, vor allem um die langen Trockenperioden. Die machen immer mehr mechanische Beregnung notwendig.

STANDARD: Was hat Sie geritten, Unternehmer zu werden, gerade in Österreich, wo das eher verpönt ist?

Roiss: Das fragt man sich manchmal wirklich. Ich komme aus einer Lehrerfamilie, habe keinerlei genetische Veranlagung, was Unternehmertum betrifft. Es hat mich aber immer interessiert, unternehmerisch tätig zu sein.

STANDARD: Die Firma Bauer ist Ihnen passiert?

Roiss: Das war Zufall. Bauer ist ein altes Unternehmen, wurde 1930 gegründet und hat eine äußerst wechselvolle Geschichte hinter sich: Zweimal wurde Insolvenz angemeldet, 29 Jahre wurden en suite rote Zahlen geschrieben. Ich bin über die finanzierende Bank, die mich kannte, dazugestoßen, sozusagen als letzter Rettungsversuch. Die haben gesagt: Wir haben da vielleicht etwas für Sie. Wollen Sie probieren, das Unternehmen zu sanieren? So hat die Geschichte begonnen.

Das Röhren- und Pumpenwerk Bauer datiert von 1930. Die Idee zur Firmengründung kam Rudolf Bauer, als er sah, wie Landwirte Gülle mit Kübeln auf den Feldern austrugen. Das müsste man mechanisieren, dachte er und entwickelte eine Güllepumpe.
Regine Hendrich

STANDARD: Wie ist es Ihnen gelungen, die Mitarbeiter für die Neuausrichtung zu gewinnen?

Roiss: Die Mitarbeiter sind genauso wichtig wie andere Faktoren. Das Entscheidende in einem Unternehmen ist ein ausgewogenes Zusammenspiel. Wir können nicht überleben, wenn wir kein vernünftiges Produkt haben – das war eigentlich allen bald einmal klar. Wir müssen aber auch die täglichen Abläufe und die Finanzen im Griff haben, sonst nützt alles nichts.

STANDARD: Die Verunsicherung war groß unter den Mitarbeitern?

Roiss: Sie wollten Garantien und jede Menge Versprechungen.

STANDARD: Ihre Reaktion war wie?

Roiss: Ich habe gesagt, Leute, ich kann euch keine Beschäftigungsgarantie geben. Ich weiß nicht einmal, ob ich selbst nächstes Jahr noch einen Job habe. Wir müssen ein gutes Produkt herstellen zu einem Preis, den die Kunden bereit sind zu zahlen. Wenn ihr gewillt seid, da mitzumachen, werden wir erfolgreich sein. Das war und ist mein Credo.

STANDARD: Und die Mitarbeiter?

Roiss: Das war kurios. Niemand hatte Angst vor einer dritten Pleite, außer den Regionalpolitikern vielleicht. Denen war der Ernst der Lage bewusst. Bei den letzten beiden Pleiten haben die Mitarbeiter immer die ganze Abfertigung bekommen, sind übernommen worden und haben weiter produziert. Das geht aber nur, solange jemand da ist, der das finanziert. Und die Bank hat signalisiert, dass sie das nicht mehr machen wird.

STANDARD: Wie wirkt sich der zunehmende Protektionismus auf ein Unternehmen wie Ihres aus, das eine Exportquote von mehr als 90 Prozent hat?

Roiss: Ich muss fast lachen. In den vergangenen 20 Jahren habe ich ständig gehört, die Globalisierung sei schlecht, sie bringe uns eines Tages um. Kaum geht es in die andere Richtung, ist auch das nicht gut. Globalisierung heißt nichts anderes, als dass Staaten, Länder, Wirtschaftssysteme ihre Produkte irgendwo anders erfolgreich verkaufen. Wir Europäer haben das in Asien gemacht, die Asiaten in Europa, die Amerikaner überall – in vollster Überzeugung, dass das gut für alle ist. Jetzt sagt Donald Trump: Amerika first. Er hat nicht gesagt, dass er nicht mehr exportieren will, er will nur nicht, dass die anderen so viel nach Amerika verkaufen, weil er glaubt, dass das Amerika schadet.

STANDARD: Ist das okay?

Roiss: Was haben denn wir Deutsche, Österreicher, Schweizer gemacht? Wir haben uns darum gerissen, Exportweltmeister zu werden. Wir haben zwar nicht gesagt: Österreich first, Wien first, Steiermark first. Was aber machen wir? Wir fördern Regionen, subventionieren auf Teufel komm raus, der eine Bürgermeister will mehr herausholen als der andere. Nur weil Trump das jetzt offen ausspricht und vieles holprig rüberkommt, stoßt uns das in Europa auf einmal ganz böse auf.

STANDARD: Was sollte Europa machen?

Roiss: Ich bin ein absoluter Gegner, dass wir uns so stark an jemanden anhängen. Europa ist Pi mal Daumen doppelt so groß wie die USA. Wir haben alle Technologien, sind enorm produktiv. Europa muss viel selbstbewusster werden und erkennen, dass wir ein einflussreicher Wirtschaftsblock sind und ein wichtiger Teil der Welt. Wir sollten aufhören, vorauseilend gehorsam zu sein.

Europa muss viel selbstbewusster werden. Wir sollten aufhören, vorauseilend gehorsam zu sein, sagt Roiss.
Regine Hendrich

STANDARD: Wo sehen Sie das?

Roiss: Bei vielem, nicht zuletzt bei den sogenannten Basel-Vorschriften, dem strengen Regelwerk für Banken. Die Amerikaner haben das vorangetrieben, halten sich selbst aber nicht so daran. Wir Europäer werden wirtschaftlich enorm in die Pfanne gehauen und zwischen den Machtblöcken USA, China und Russland zerrieben. Ähnliches gilt im Maßnahmenbereich der durchaus positiv zu sehenden Klimaziele. Europa ist hier sehr streng, während andere das deutlich lockerer nehme.

STANDARD: Was fehlt in Europa, eine Vision?

Roiss: Die hatten wir, das war die Gründung der EU, eine ganz tolle Sache. In den vergangenen Jahren haben wir uns aber auseinanderdividieren lassen. Wir müssen zu einer europäischen Integrität finden und neu definieren, was wir wollen. Ein Zusammenhalt ist nur gegeben, wenn es einen gemeinsamen Willen gibt. Auf europäischer Ebene müssen einige wesentliche Themen gemeinsam geregelt werden. Eher untergeordnete Belange müssen im nationalen bzw. lokalen Bereich angesiedelt sein.

STANDARD: Im Iran haben Sie im Sommer ein Beregnungsprojekt an Land gezogen, das können Sie sich mit den Sanktionen wahrscheinlich in die Haare schmieren?

Roiss: Da sind wir beim vorher Gesagten: Die Amerikaner sagen, ihr dürft das nicht, weil das eine schlechte Regierung in Teheran ist, und wir Europäer lassen uns das gefallen. Und dann haben wir drei lachende Dritte. China hat mittlerweile die Eisenbahn von Peking nach Teheran fertig. Dort fahren jeden Tag zwei Kilometer lange Lastenzüge voller Waren. Das hat vorher alles Europa gemacht. Die zwei anderen Lachenden sind die Russen und die Amerikaner. Immer wenn es militärisches Gerassel gibt, treibt das den Ölpreis nach oben, beide profitieren davon. Es gibt viele Krisen, die befeuert werden, und wir Europäer müssen das ausbaden.

STANDARD: Bleibt Ihnen bei all Ihrem Tun noch Zeit für ein Hobby?

Roiss: Das habe ich ja, mein Geschäft ist mein Hobby.

STANDARD: Musik mögen Sie auch, Bauer hat eine Werkskapelle?

Roiss: Es gefällt mir, was die machen. Die gibt es schon 50 Jahre.

STANDARD: Die kann man wohl nicht antasten?

Roiss: Antasten kann man alles. Ich glaube aber, dass es sinnvoll ist, die zu haben. Die Werkskapelle ist stark verwurzelt in der Bevölkerung und wird auch von der Lokalpolitik geschätzt. Und das soll auch so bleiben. (Günther Strobl, 25.11.2018)