Jessica Barden über ihre Rolle in "The End of the F***ing World": "Alyssa vereint sämtliche Spektren."

Foto: AFP/VALERY HACHE

Alyssa fühlt sich allerorts am falschen Platz: in den Straßen der heimischen spießbürgerlichen Kleinstadt, wo schlicht gar nichts passiert, in der Schule, wo alle teilnahmslos auf ihre Smartphones starren, und erst recht zu Hause, wo ihr schmieriger Stiefvater ständig nach einer Gelegenheit sucht, ihr den Arm um die Taille zu legen. "Fuck this shit", lautet die pointierte Analyse der wütenden 17-Jährigen, die ihren Freund James dazu überredet, mit dem väterlichen Mercedes Reißaus zu nehmen.

Jugendliche Verletzlichkeit

Dieser wiederum hält sich selbst für einen zu jeglicher Empathie unfähigen Psychopathen und nähert sich Alyssa allein, um seine langgehegten Mordpläne endlich in die Tat umzusetzen. Was nach einem geschmacklosen wie patriarchal inspirierten Setting klingt, entpuppt sich in "The End of the F***ing World" spätestens nach den ersten drei Folgen als herzzerreißende Erzählung jugendlicher Verletzlichkeit.

Netflix

Die britische TV-Produktion, die international von Netflix vermarktet wird, basiert auf der gleichnamigen Graphic Novel von Charles S. Forsman, mit den beiden HauptdarstellerInnen haben die ProduzentInnen einen wahren Glücksgriff getan. So überzeugt Alex Lawther als depressiv verstimmter Teenager mit vermeintlich psychopathischen Zügen, der eigentliche Star der Serie ist jedoch Jessica Barden, die mit Alyssa endlich eine Rolle gefunden hat, die sich nicht so einseitig darstellt, wie das Frauen oft zugeschrieben wird, erzählte sie "Vulture": Entweder sanft und schüchtern oder draufgängerisch und lustig, laute das gängige Rezept – Alyssa hingegen vereint sämtliche Spektren und schreckt auch nicht davor zurück, ihr Umfeld bei jeder passenden Gelegenheit mit ihrer ungefilterten Wut zu konfrontieren.

Angry Girl

Dem Konzept des wohlerzogenen Mädchens, das stets darauf bedacht ist, sich an den Gefühlslagen und Erwartungen anderer zu orientieren, verpasst Alyssa einen kräftigen Tritt in den Hintern. Cool und unnahbar ist sie dabei keineswegs: Auch Alyssa sucht nach Bestätigung, will sexuell begehrt werden – um einem Straßenflirt sogleich eine Lektion in sexuellem Konsens zu erteilen. "Es gibt ein Wort für Mädchen wie dich", meint dieser, nachdem Alyssa ihn aus dem Schlafzimmer geworfen hat. "Ganz bestimmt", so ihre lapidare Antwort.

Zwischen all der Gewalt – das Teenagerpaar endet nach einem Zwischenfall auf der Flucht vor der Polizei – bleibt in "The End of the F***ing World" Zeit für jugendliche Sehnsüchte, emotionale Nähe und bittere Enttäuschung. "Was ich für ein Problem habe, willst du wissen? Dich habe ich!", gibt Alyssa ihrem leiblichen Vater mit auf den Weg. (Brigitte Theißl, 27.11.2018)