Wien – Der Druck der Landeshauptleute hat offenbar Wirkung gezeigt. Bei der neuen Mindestsicherung werden die Länder um bis zu 30 Prozent höhere Leistungen auszahlen dürfen, als das noch in den im Mai von Türkis-Blau vorgelegten Plänen vorgesehen war. Damit können zusätzliche Wohnkosten abgedeckt werden. Vor allem in Städten wie Innsbruck, Salzburg oder Wien sind die Mieten überdurchschnittlich hoch.

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Dank einer "Härtefallklausel" soll es im Einzelfall aber möglich sein, auch noch höhere Ansprüche auszubezahlen, erklärten Koalitionsverhandler am Dienstagabend. Nachgebessert wurde auch noch für behinderte Menschen: Für sie darf ein Bonus von 18 Prozent gewährt werden.

Bei der letzten Tiroler Landtagswahl im Frühjahr freuten sich Sebastian Kurz und Günther Platter gemeinsam. Jetzt kommt der Kanzler den Ländern bei der Mindestsicherung entgegen. Ob diese zufrieden sind, wird sich in den kommenden Tagen und Wochen zeigen.
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Zähe Verhandlungen

Geregelt ist all das in einem Grundsatzgesetz, das am Mittwoch vom Ministerrat beschlossen wird. Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich ÖVP und FPÖ darauf geeinigt. Die Länder, die weiter für die Mindestsicherung zuständig bleiben, müssen in weiterer Folge bis Oktober 2019 Ausführungsgesetze beschließen. Der Bund gibt in diesem Grundsatzgesetz Obergrenzen vor, die aber, sofern ein Land das will, unterschritten werden dürfen.

  • Die Eckdaten: Alleinstehende bekommen, wie bisher, eine Leistung in Höhe der Mindestpension (netto derzeit 863,04 Euro), für Paare sinkt der Anspruch um zehn Prozent auf 1.208,26 Euro. Mehrkindfamilien werden in der Regel ebenfalls schlechter aussteigen: Für das erste Kind gibt es 25 Prozent der Basisleistung, für das zweite nur noch 15 Prozent und ab dem dritten gar nur mehr fünf Prozent. Damit fällt die Degression wesentlich stärker aus als bisher, weshalb Experten bereits auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit wegen einer unsachlichen Kürzung hingewiesen haben.

    Für Alleinerziehende ist hingegen ein zusätzlicher Bonus vorgesehen (rund 100 Euro für das erste, 75 Euro für das zweite, 50 Euro für das dritte Kind). Diese Gruppe dürfte also eher besser als bisher aussteigen.

  • Vermögen: Wer Mindestsicherung beziehen will, muss auch künftig vorher Geldvermögen aufbrauchen – der Freibetrag steigt aber etwas von 4.200 auf 5.200 Euro. Eine weitere Verbesserung gibt es für Bezieher mit einer Wohnung oder einem Haus. Ins Grundbuch können die Sozialbehörden nämlich künftig erst nach drei Jahren (derzeit sechs Monate).

    Wie berichtet wollte die FPÖ den Vermögenszugriff für Aufstocker gänzlich streichen, ÖVP-Chef Sebastian Kurz ließ die Blauen damit aber abblitzen. Aufstocker sind Menschen, die ein geringes Einkommen (Gehalt, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) haben, das mit einer Teilleistung aus der Mindestsicherung aufgebessert wird.

  • Sprachkenntnisse: Wer nicht ausreichend Deutsch (B1-Niveau) oder Englisch (C1-Niveau) spricht oder keinen Pflichtschulabschluss hat, soll eine um 300 Euro niedrigere Leistung erhalten. Das zielt vor allem auf Asylberechtigte ab, weshalb Experten eine mögliche mittelbare Diskriminierung orten. Die Koalition ist aber überzeugt, dass ihr Plan rechtlich halten wird. Wer keinen Pflichtschulabschluss hat, soll seine Sprachkenntnisse durch Vorsprache bei der Behörde nachweisen können.

  • Zuverdienst: Ausgeweitet werden die Zuverdienstmöglichkeiten während des Mindestsicherungsbezugs. Geplant ist ein Freibetrag von 35 Prozent des Nettoeinkommens. Dieser Gehaltsteil wird ein Jahr lang nicht auf die Mindestsicherung angerechnet.

  • Zuwanderer: Können Asylberechtigte ausreichend Deutsch, bekommen sie die gleichen Leistungen wie Inländer. Für Drittstaatsangehörige und EU-Bürger soll sich grundsätzlich nichts ändern. Sie müssen hier gearbeitet haben oder schon länger als fünf Jahre in Österreich wohnen.

  • Sanktionen: Voraussetzung für die Mindestsicherung ist weiterhin Arbeitswilligkeit und -fähigkeit. Konkrete Sanktionen gibt der Bund nicht vor, die müssen von den Ländern festgelegt werden. Ländersache ist auch, wie viel der Leistung in Geld- und wie viel in Sachleistungen gewährt wird. Richtwert für die Bund sind 40 Prozent Sachleistungen. Aber wie gesagt: Verbindlich ist das nicht.

  • Einsparungen: Da es, wie erwähnt, nicht nur Kürzungen, sondern punktuell auch Verbesserungen gibt, halten sich die Einsparungen in Grenzen. Sie werden von Koalitionsverhandlern mit rund 40 Millionen Euro angegeben – ein fertiger Gesetzestext lag am Dienstagabend aber noch nicht vor. Zum Vergleich: Zuletzt lagen die Gesamtausgaben für die Mindestsicherung bei 977 Millionen Euro. Es gab im Vorjahr etwas über 300.000 Bezieher.

(Günther Oswald, 28.11.2018)