Zufrieden mit der eigenen Punktuation (v. li.): VP-Klubchef August Wöginger, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ).

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Wien – Die Regierung hat am Mittwoch die Details ihrer Mindestsicherungs-Reform angekündigt. Auf Familien mit Kindern und Personen mit schlechten Deutschkenntnissen kommen damit teils starke Kürzungen zu. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) lobten das Modell als fair und gerecht und strichen insbesondere Arbeitsanreize für Bezieher hervor.

Beschlossen wurde im Ministerrat eine "Punktation" zur Mindestsicherung Neu, also eine politische Absichtserklärung. Der genaue Gesetzentwurf soll im Lauf der Woche folgen und sechs Wochen begutachtet werden. Dieses "Rahmengesetz" ersetzt die 2016 ausgelaufene Bund-Länder-Vereinbarung über Mindeststandards bei der Mindestsicherung.

Gegen "Fleckerlteppich"

Für Einzelpersonen sieht es einen Höchstbetrag von 863 Euro vor, bei Paaren maximal 1.208 Euro. Bezieher mit schlechten Deutschkenntnissen sollen ein Drittel weniger bekommen. In besonders teuren Städten sind zusätzliche Sachleistungen möglich, die aber mit 30 Prozent der Mindestsicherung gedeckelt werden. Kurz, der das Modell nach dem Ministerrat mit Strache sowie Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und VP-Klubchef August Wöginger präsentierte, sprach von einer dringend notwendigen Reform. Österreich habe bereits mehr Mindestsicherungs-Bezieher als das Burgenland Einwohner und jeder zweite sei Ausländer. "Wir haben eine massive Zuwanderung in das System der Mindestsicherung", betonte Kurz. Daher schlage man nun ein "gerechteres System" mit Arbeitsanreizen vor. Auch der "Fleckerlteppich" der unterschiedlichen Länderregelungen werde damit beendet.

Keine soziale Hängematte

Ähnlich Strache: Man habe von der SPÖ ein ungerechtes Modell übernommen, das nun treffsicherer, fairer und gerechter werde. Er lobte zwar insbesondere die fünfjährige Wartefrist für "EU-Sozialtouristen", betonte aber: "Die Mindestsicherung darf auch nicht zu einer sozialen Hängematte verkommen. Für niemanden – auch nicht für Österreicher."

Besonders starke Einschnitte bedeuten die Regierungs-Pläne für Familien mit Kindern (2017 waren laut Statistik Austria 81.334 von 231.390 Mindestsicherungsbeziehern Kinder). Denn für das erste Kind gibt es künftig rund 216 Euro monatlich, für das zweite 130 und ab dem dritten nur noch 43 Euro. Außerdem werden diese Kinderzuschläge noch ein weiteres Mal gekürzt: Wie Hartinger-Klein sagte, soll der Kinderabsetzbetrag (58 Euro pro Kind und Monat) künftig von der Mindestsicherung abgezogen werden. Derzeit wird er gemeinsam mit der Familienbeihilfe an alle Familien ausgezahlt und reduziert die Mindestsicherung nicht.

Sozialministerium rudert zurück

Am Nachmittag ruderte das Sozialministerium auf einmal zurück. Die 58 Euro würden doch nicht abgezogen werden. "Uns ist gestern leider ein Fehler in der Unterlage passiert", schrieb der Sprecher des Sozialministeriums am Mittwoch in einer schriftlichen Mitteilung an die APA. "Die Anrechnung der Kinderabsetzbeträge (58,40 pro Monat und pro Kind) sowie der Alleinverdienerabsetzbetrag werden bei der Sozialhilfe nicht mindernd angerechnet." Auf Nachfrage stellt er klar, dass dies bedeute, dass die Mindestsicherungsbezieher den Kinderabsetzbetrag behalten dürfen.

Opposition, ÖGB und Arbeiterkammer hatten zuvor heftig gegen diese "Fußnote" in den Regierungsunterlagen protestiert. "Die Regierung bewirbt ihre Reform mit Zahlen, die schon bei Inkrafttreten nicht mehr gelten werden. Das ist eine Verhöhnung der betroffenen Familien", kritisierte etwa ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann umgehend.

Abfederung für Alleinerziehende

Kanzler Kurz begründete am Vormittag die starken Kürzungen für Mehrkindfamilien damit, dass berufstätige Familien häufig nicht viel mehr Geld zur Verfügung hätten als Mindestsicherungsbezieher mit vielen Kindern. "50 Prozent der Menschen verdienen weniger als 1.800 Euro netto", meinte Kurz. Das bedeute, dass es für Menschen in kinderreichen Familien gar nicht mehr attraktiv sei arbeiten zu gehen.

ÖVP-Klubchef Wöginger dazu: "Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein." Abgefedert werden diese Kürzungen bei Alleinerzieherinnen: sie erhalten einen Zuschlag (103,5 Euro bei einem Kind, 233 Euro bei drei Kindern), Behinderte erhalten 155 Euro mehr. "Wir nehmen das Problem der Kinderarmut ernst", betonte Strache diesbezüglich. Nicht durchgesetzt hat sich die FPÖ dagegen mit ihrer Forderung, den Vermögenszugriff auf "Aufstocker" in die Mindestsicherung abzuschaffen. Allerdings wurden die aktuellen Regelungen abgemildert: Auf selbst benutztes Wohneigentum soll erst nach drei Jahren (nicht schon nach sechs Monaten) zugegriffen werden, außerdem dürfen Mindestsicherungsbezieher 5.200 Euro in bar behalten (bisher 4.300). Strache dazu: "Wir beenden die soziale Kälte der SPÖ." (APA, 28.11.2018)