STANDARD: Grüne Frontfrau zu sein stand nie auf Ihrer "Lebensplan-To-do-Liste", sagten Sie vor kurzem. Warum sind Sie es jetzt dennoch?

Hebein: Es stand wirklich nicht auf meiner Liste. Dort ist aber auch nicht gestanden, grüne Gemeinderätin zu werden. Ich habe von Anfang an einen großen Zuspruch bekommen und mich dann entschieden zu kandidieren. Ich finde die Öffnung der Partei wichtig. Es haben ja auch mehr Menschen von außerhalb der Partei mitgestimmt.

STANDARD: Als Nächstes auf der To-do-Liste steht die Übergabe der Ämter von Maria Vassilakou. Wann werden Sie Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin?

Hebein: Ich habe Maria Vassilakou am Mittwoch zum ersten Vieraugengespräch getroffen. Es war total angenehm und konstruktiv, wie immer. Den Zeitpunkt der Übergabe werden wir gemeinsam beschließen. Heuer wird es nicht mehr passieren.

Grüne Frontfrau in Wien zu werden "stand wirklich nicht auf meiner Liste", sagt Birgit Hebein.
Matthias Cremer

STANDARD: Wie gut können Sie mit Stadtchef Michael Ludwig?

Hebein: Bürgermeister Ludwig hat mir bereits gratuliert. Ich habe bei meiner Antrittsrede im Scherz gesagt, dass wir jeden Freitag gemeinsam Tennis spielen. Darüber haben wir gesprochen. Da wir beide nicht Tennis spielen, werden wir es mit Tischtennis versuchen. Nein, im Ernst: Ich vertraue auf seine Handschlagqualität. Ich habe sie auch. Die Wiener erwarten, dass wir bis zum letzten Tag gemeinsam arbeiten. Das haben wir auch vor.

STANDARD: Beim Alkoholverbot am Praterstern sind Sie mit Ludwig bereits aneinandergekracht. Ludwig hat anklingen lassen, auch eine weitere Verbotszone am Bahnhof Floridsdorf zu prüfen. Wird es mit Ihnen weitere Alkoholverbotszonen in der Stadt geben?

Hebein: Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht viel davon halte. Sinnvoller finde ich, in Sozial- und Gesundheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum zu investieren. Wir haben uns beim Budget geeinigt, dass das verstärkt im nächsten Jahr kommen wird.

STANDARD: Den Kurs der SPÖ, gegen die FPÖ zu mobilisieren, im Burgenland aber eine Koalition mit ihnen zu bilden, haben Sie immer wieder kritisiert. Vor der Wien-Wahl 2015 meinten Sie: "Die SPÖ läuft mit den Hasen und hetzt mit den Hunden." Wo sehen Sie Konflikte mit der Wiener SPÖ?

Hebein: Meine Kritik war vor allem auf das Burgenland bezogen. Ich bin davon überzeugt, dass Rot-Grün sehr viel Verantwortung trägt, gerade bei einer schwarz-blauen Bundesregierung, die mit radikalen eiskalten Sozialkürzungen Politik macht. Diese Politik richtet sich in erster Linie gegen die Wiener. Hier müssen wir weiterhin geeint auftreten.

Birgit Hebein zu einer möglichen dritten Auflage von Rot-Grün nach der kommenden Wien-Wahl: "Selbstverständlich."
Matthias Cremer

STANDARD: Ist Rot-Grün III nach der Wien-Wahl 2020 etwas, womit Sie leben könnten?

Hebein: Selbstverständlich. Aber da gehören zwei dazu. Meine tiefste Überzeugung ist, dass wir ein Gegenmodell zu Schwarz-Blau im Bund sind. Wir müssen für die Wiener so arbeiten, dass wir ihre Herzen erreichen.

STANDARD: Die Bundesregierung plant ein bundesweites Modell der Mindestsicherung. Für Migranten mit schlechten Deutsch- und Englischkenntnissen soll es deutlich weniger Geld geben – ebenso für Personen ohne Pflichtschulabschluss. Wird Wien das umsetzen?

Hebein: Was die Bundesregierung hier macht, ist das, was ich für Wien nicht will: diese Spaltung der Gesellschaft. Wir schauen uns an, ob der Vorschlag rechtmäßig ist und ob er ein Mittel zur Armutsbekämpfung ist.

STANDARD: Welche Varianten gibt es für Sie?

Hebein: Entweder Wien sagt, wir setzen das nicht um und nehmen damit das Risiko einer Klage in Kauf. Oder Wien lässt die Verfassungsmäßigkeit des Vorschlags prüfen. Dann entscheiden die Gerichte.

STANDARD: Beide Optionen sehen keine Umsetzung des Gesetzes vor.

Hebein: Welchen Spielraum wir haben, schauen wir uns noch im Detail an. Ich arbeite gerne, wenn Fakten am Tisch liegen.

Hebein geht nicht davon aus, dass die Wiener Stadtregierung das türkis-blaue Vorhaben bei der Mindestsicherung umsetzen wird. "Entweder Wien sagt, wir setzen das nicht um und nehmen damit das Risiko einer Klage in Kauf. Oder Wien lässt die Verfassungsmäßigkeit des Vorschlags prüfen. Dann entscheiden die Gerichte."
Matthias Cremer

STANDARD: Nach Ihrer Wahl haben Sie gesagt, den Fokus auf Ökologie und soziale Gerechtigkeit zu legen. Welche Projekte wollen Sie kurzfristig umsetzen?

Hebein: Der nächste Hitzesommer kommt bestimmt. Ein Beispiel: Der Schwendermarkt ist ein Hitzepol. Da wird es darum gehen, wie wir Beschattungen, Begrünungen und Entsiegelungen schaffen. Denn es werden sich auch künftig nicht alle Menschen eine Klimaanlage leisten können.

STANDARD: In diesem Fokus ist auch Verkehr ein wichtiges Thema. Treten Sie für eine Citymaut ein – auch wenn die SPÖ dagegen ist?

Hebein: Ich halte die Citymaut für ein sehr geeignetes Mittel. Wir müssen darüber ernsthaft diskutieren.

STANDARD: Was gedenken Sie beim Thema Heumarkt zu tun, das die Grünen fast gesprengt hätte? Wollen Sie nachverhandeln wie Ihr Konkurrent Ellensohn? Oder ist der Zug hier abgefahren?

Hebein: Die Entscheidung ist getroffen. Ich lerne daraus, dass wir rechtzeitig parteiintern darüber diskutieren müssen – und dann eine Entscheidung treffen. Das habe auch ich unterschätzt.

STANDARD: Aber es wurde ja schon lange vor der grünen Urabstimmung, die gegen das Projekt ausging, darüber diskutiert.

Hebein: Die Urabstimmung war zu einem Zeitpunkt, wo die Entscheidung relativ klar war. Wir müssen künftig den internen Diskus früher durchführen. Aber ja: Wir Grünen sind widersprüchlich. Vielleicht geht es darum, die Widersprüchlichkeiten offener zu diskutieren.

"Wir Grünen sind widersprüchlich", sagt die neue grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein. "Vielleicht geht es darum, die Widersprüchlichkeiten offener zu diskutieren."
Matthias Cremer

STANDARD: Die Grünen in Wien treten für ein generelles Rauchverbot ein. Sie selbst sind Raucherin. Können Sie auch mit der Regelung der Bundesregierung leben, die Rauchen in Lokalen weiter erlaubt?

Hebein: Ich habe selbstverständlich das Volksbegehren unterschrieben. Denn es geht nicht um mich, sondern um die Lehrlinge und Angestellten in den Gasthäusern. Ich bin überzeugt, dass Sie zukünftig noch viele Widersprüche bei mir entdecken werden. Ich bin ein Mensch. Ich stehe dazu. (David Krutzler, 29.11.2018)