19.666 Dollar war ein Bitcoin im Dezember 2017 wert. Das ist das bisherige Rekordhoch.

Foto: AFP / Jack Guez

Bitcoin war an der Börse heuer eine Billion Dollar wert. Auch andere Kryptowährungen erlebten Kurssprünge.

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Er sah sich als modernen Goldgräber. Doch anstatt in einem Fluss Steine zu sieben, setzte er sich vor seinen Laptop und legte ein sogenanntes Wallet an. Das war Anfang November 2017. Clemens S. verfolgte ein recht schnell erklärtes Ziel: mit Kryptowährungen das eigene Geld für sich arbeiten zu lassen und es dabei ohne viel Aufwand zu vermehren. "Bitcoin und andere Digitalwährungen waren eine interessante Alternative zu einem Sparbuch oder diversen Fonds", erzählt der 30-Jährige.

Die starke Volatiliät von Kryptowährungen sei ihm bewusst gewesen: "Ich habe eine Summe investiert, deren Verlust sich verkraften ließe." Zur Gänze verloren hat er sein Geld noch nicht, sein Kryptogeld ist jedoch deutlich weniger wert als im November 2017. Mit dem Kurseinbruch von Bitcoin habe er das Interesse an der Kryptowährung verloren.

Spekulanten strömten in den Markt

S. versinnbildlicht, was im Spätherbst des vergangenen Jahres passierte. Der Kurs von Bitcoin kletterte im Dezember auf fast 20.000 Dollar, was wenig überraschend eine Vielzahl von Spekulanten an Bord holte. Die vielzitierten Vorteile der neuen Währungen, die Dezentralität, die Anonymität und der Schutz vor staatlicher Inflation, waren für diese Käufer Nebensache.

Von einem 20.000-Dollar-Kurs ist Bitcoin weit entfernt, auf bis zu 6.500 Dollar hat er sich im Jahresverlauf eingependelt – immer noch gut das Sechsfache von Anfang 2017. Bis es Mitte November seit längerem wieder einmal zu einem deutlichen Einbruch kam: Nicht nur bei Bitcoin, bei praktisch allen namhaften Coins ging es deutlich bergab.

Verluste zwischen 15 und 40 Prozent standen zu Buche. Meldungen über das Jahrestief verbreiteten sich mindestens genauso schnell im Netz, wie der Kurs fiel. Und allen Kassandrarufen zum Trotz ist Bitcoin, die Mutter der Digitalwährungen, immer noch da.

Neuartiges Konzept

Doch wie hat das alles begonnen? Im Oktober 2008 publizierte ein nach wie vor Unbekannter, vielleicht waren es auch mehrere, unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Paper, das einen riesigen Stein ins Rollen brachte. Wenige Monate später lief das neuartige Konzept an.

Der deutsche Kryptowährungsexperte Robert Küfner sieht in den Kurssprüngen keinen Weltuntergang: "Einen Kursverfall mit einem Abgesang zu verbinden wäre so wie über den Aktienkurs von AOL zu sprechen und damit das ganze Internet zu meinen. Heute ist AOL pleite, aber das Internet größer denn je." Tatsächlich geht die prozentuale Volatilität zurück. Kurssprünge von zehn bis 15 Prozent standen früher auf der Tagesordnung.

Küfner sei sich überdies bewusst, dass Kursschwankungen polarisieren, doch wichtiger als der Portfolioverlauf Einzelner sei der gesellschaftliche Nutzen der Blockchain-Technologie.

Dezentralität macht sicher

Die Blockchain verkörpert die Antithese zur Cloud. Informationen werden lokal in einem Rechnernetzwerk gespeichert und nicht gebündelt auf einem Server. Diese Dezentralität verschaffte der Blockchain den Ruf, besonders sicher zu sein. Möchte jemand Informationen fälschen, muss jeder Rechner des Netzwerks gehackt werden. Gehören mehrere Tausend Rechner dem Netzwerk an, sinkt die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Angriffs.

Worin Kryptoenthusiasten den heilvollen Neuanfang für die Finanzwelt sehen, ist für andere reine Abzocke und Hysterie: für US-Starökonom Nouriel Roubini von der New York University zum Beispiel.

Er ließ kürzlich mit vernichtender Kritik an der Blockchain und den darauf basierenden Digitalwährungen aufhorchen. "Mittlerweile ist klar, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen die Mutter aller Blasen sind." Auch die Technologie dahinter empfindet er als vollkommen überbewertet. Roubini, der den Spitznamen Dr. Doom trägt, warnte bereits 2004 vor dem zum Scheitern verurteilten Hypothekenmarkt in den USA und prophezeite die vier Jahre später eintretende Finanzkrise.

Ähnlichkeiten zur Tulpenmanie

Der Kursverlauf von Bitcoin weist in der Tat Ähnlichkeiten mit anderen Finanzblasen wie etwa der Tulpenmanie im Jahr 1637 auf. Doch einen wesentlichen Unterschied gibt es. Auch nach dem Platzen der Bitcoin-Blase ist ein Bitcoin immer noch mehrere tausend Dollar wert.

Der Markt ist laut Roubini auch mit Betrügern und Insiderhändlern überflutet. In Österreich flog im Frühjahr das Pyramidenspiel rund um das Anlegerportal Optioment auf – es beschäftigt nach wie vor die Behörden. Betrug? Ja. Diesen allein Bitcoin zuzuschieben wäre jedoch vermessen und falsch. Pyramidenspiele gab es bereits lange vor Kryptowährungen.

In diesem Fall eigneten sie sich jedoch als Marketing-Aufhänger. Nichtsdestotrotz bezieht sich laut der heimischen Finanzmarktaufsicht (FMA) mittlerweile jede zweite Anzeige auf ein Kryptowährungsunternehmen. Auch jede zweite Meldung, die über das Whistleblower-System der FMA eingehe, sei dem Kryptobereich zuzuordnen.

Keine politische Manipulation

All diese Probleme kennt auch Johannes Grill, Präsident und Gründungsmitglied von Bitcoin Austria. Er ist dennoch davon überzeugt, dass es nichts gibt, was Bitcoin in naher Zukunft den Rang ablaufen könnte. "Wir haben es hier mit etwas Dauerhaftem zu tun. Mittel- bis langfristig wird die Infrastruktur immer besser, und die Technologie ist völlig transparent. Dadurch ist Bitcoin allen anderen Währungen überlegen."

Grill verwendet im Gespräch auch immer wieder Wörter wie Fluchtwährung oder Katastrophen-Hedge. Er meint, was in der "alten Finanzwelt" passiert, wirke sich durchaus auf Kryptowährungen aus. "Wenn Donald Trump irgendetwas Unerwartetes beschließt oder die Italiener das EU-Budget sprengen, wird Bitcoin dadurch gestärkt", sagt Grill. Politische Manipulation der Währung sei nicht möglich.

Stichwort Politik: Der heimische Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) verlautbarte im Frühjahr, strengere Regeln einführen zu wollen. Der Bitcoin-Handel soll "ähnlich wie der Handel mit Gold und Derivaten" behandelt werden. Dazu gehören Meldungen an die Geldwäschestelle bei Transaktionen über 10.000 Euro. Die Geldwäschemeldestelle des Bundeskriminalamts soll die Eigentümer von virtuellen Währungen identifizieren können.

Sandkasten für Unternehmer

Ende November kündigte Löger an, dass ab 2019 "Regulatory Sandboxes" eingeführt werden sollen – Sandkisten für Unternehmer sozusagen. Fintechs können ihre Geschäftsmodelle für eine begrenzte Zeit an einem realen Kundenkreis testen und werden dabei von der Behörde begleitet.

Aufsichtsrechtliche Anforderungen müssen im Sandkasten dennoch erfüllt werden, auch rechtliche Konsequenzen bei Gesetzesverletzungen würden nicht außer Kraft gesetzt. Es handle sich mehr um ein "Beraten statt Strafen", so Löger. Als Quidproquo erhalten die Aufsichtsorgane Einsicht in die Firmentätigkeit.

Wie genau es mit Kryptowährungen weitergeht, bleibt abzuwarten. Ob der Kurs zu Weihnachten auf unter 2000 Dollar fällt oder zu Neujahr ein kräftiger Anstieg bevorsteht, weiß man nicht. Ebenso wenig, ob eingangs erwähnter Clemens S. wieder Interesse an seinem Investment entwickelt – wenngleich es ein steigender Kurs vermuten lässt.

Fest steht: Blockchain und Kryptowährungen werden uns noch längere Zeit beschäftigen. Und mindestens genauso lange werden die Kassandrarufe nicht verstummen. (Andreas Danzer, Portfolio, 2018)