Seit Freitag ist hier niemand mehr untergebracht. Davor sorgte das Flüchtlingsquartier Drasenhofen im ganzen Land für Empörung.

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Momentan eher keine Freunde: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Als Asyllandesrat war er für die Unterkunft Drasenhofen zuständig. Diese Kompetenz könnte man ihm allerdings per einfacher Mehrheit entziehen – was mehrere Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft fordern.

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Wien – Obwohl die vielkritisierte Unterkunft in Drasenhofen mittlerweile leersteht, geht die Aufregung darüber weiter. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte eine Behandlung des Themas in der nächsten Sitzung der Landesregierung am Dienstag an. In Richtung Gottfried Waldhäusl (FPÖ), zuständiger Landesrat, meinte sie: "Klar ist, dass eine derartige Situation nicht mehr vorkommen darf."

Streit in Proporzregierung

Waldhäusl wiederum kritisierte Mikl-Leitner scharf. Ihr scheine der Schutz der Täter wichtiger zu sein als jener der Opfer und der Bevölkerung, merkte er am Montag an. Er hoffe nur, "dass Landeshauptfrau Mikl-Leitner auch dann die Verantwortung übernimmt und die Konsequenzen zieht, wenn wieder gewalttätige Übergriffe passieren". Die Landeshauptfrau habe den Schutz für straffällig gewordene Täter übernommen. "Einige werde ich aufgrund ihrer gerichtlichen Verurteilungen und ihrer einsetzenden Volljährigkeit ohnehin in etwa einem Monat abschieben lassen", kündigte Waldhäusl an.

Daraufhin mischte sich schließlich auch die ÖVP ein: "Ich rufe alle Seiten zu Vorsicht und Rücksicht bei der Wortwahl zur Unterkunft in Drasenhofen auf", hieß es in einer Aussendung des niederösterreichischen ÖVP-Landesgeschäftsführers Bernhard Ebner. Waldhäusl habe mit dem Befestigen eines Stacheldrahts "bewusst überzogen und das Fass zum Überlaufen gebracht". Er habe "bewusst die Räumung der Unterkunft in Drasenhofen provoziert". Aus dem Büro von Mikl-Leitner hieß es, man werde das heutige Gespräch mit Waldhäusl abwarten und wolle diesem nicht vorgreifen.

Mikl-Leitners Stellvertreter Franz Schnabl (SPÖ) fand deutlichere Worte: "Ich frage mich, was für ein Mensch man sein muss, um auf dem Rücken von Kindern und Jugendlichen populistische Kampagnen auszutragen." Waldhäusl sei "gefordert von sich aus die Konsequenzen zu ziehen". Dem "Gewähren-lassen, aufgrund der Koalitionsräson" müsse ein ein Ende gesetzt werden, so Schnabl in Richtung Mikl-Leitner

Demo am Dienstag

Der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger hat währenddessen Strafanzeige gegen den FPÖ-Landesrat eingebracht. Er beantragt, ein Verfahren einzuleiten und das Verhalten Waldhäusls in Richtung Freiheitsentziehung und Missbrauch der Amtsgewalt zu prüfen. Zanger beruft sich auf Medienberichte.

Als "nicht tragbar" bezeichneten auch Jugendorganisationen am Montag Waldhäusls Vorgangsweise. Die Sozialistische Jugend, die Aktion kritischer Schüler_innen, die Junge Generation und die Junge Linke forderten den Rücktritt des FPÖ-Politikers. Zudem riefen sie zu einer Kundgebung am Dienstag, 10 Uhr vor dem Landhaus in St. Pölten auf.

Für Melanie Zvonik, Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend Niederösterreich, hat die FPÖ "durch die widerwärtige Politik" im Bundesland "eine Grenze überschritten und ein neues Level an Grausamkeit erreicht". "Ein Landesrat, der offenbar nichts von rechtsstaatlichen Prinzipien hält", sei fehl am Platz, sagte Michael Kögl von der Jungen Generation in der SPÖ Niederösterreich.

Das Quartier in Drasenhofen habe den Rahmen des Akzeptierbaren gesprengt, sagte Sanea Hertlein, Landesvorsitzende der Aktion kritischer Schüler_innen Niederösterreich. Die FPÖ versuche "mit ihren menschenverachteten Skandalen davon abzulenken, dass sie Politik nur für Reiche macht", erklärte Stefan Glaser, Sprecher der Jungen Linken.

Was die Jugendanwaltschaft sagt

Nachdem am Donnerstag erste Berichte über das mit Stacheldraht umzäunte Quartier publik geworden waren und Freitagfrüh die Empörung vor allem wegen Waldhäusls Aussagen anstieg ("Jeder kann sich zwei, drei Asylwerber mitnehmen"), wurden alle 14 jugendlichen Flüchtlinge noch am Freitagabend in andere Unterkünfte gebracht.

Auslöser dafür war ein Bericht der niederösterreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaft, deren Mitarbeiter der Unterkunft einen Besuch abstatteten. Dass die Jugendlichen in dem Quartier festgehalten wurden, wie sie es gegenüber Medien auch selbst schilderten, bestätigte die Behörde: "Die Minderjährigen dürfen sich nur im Haus frei bewegen. Es ist ihnen laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin nur erlaubt, die Einrichtung ausschließlich mit Security und nur für sehr begrenzte Zeit zu verlassen (zur Tankstelle, zum Einkaufen). Dies weckte den Anschein eines Freiheitsentzuges." Kontakt nach außen werde unterbunden. Ein Jugendlicher habe erzählt, dass er seine Vertrauensperson nicht sehen dürfe.

Hygienemängel

Festgestellt wurden aber auch hygienische Mängel – es habe "sichtlich keine Grundreinigung stattgefunden": "Die Toiletten waren verschmutzt, Nassräume ungepflegt, der Boden klebrig, die Fenster ungeputzt et cetera. Die Verschmutzungen schienen bereits länger vorhanden zu sein. Die Jugendlichen werden laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin aufgrund der heutigen Bemängelung dazu herangezogen, die Reinigung des Hauses vorzunehmen."

Laut Aussage der anwesenden Mitarbeiterin sei teilweise keine Informationsweitergabe durch die unterbringende Stelle erfolgt. "Sie konnte auf Anfrage nicht beauskunften, ob und welche Jugendlichen möglicherweise psychiatrisch auffällig sind, da laut ihrer Angabe keine Übergabe der persönlichen Daten erfolgt ist."

Mangelnde Ausstattung

Außerdem würden grundlegende Einrichtungsgegenstände fehlen, schreiben die Besucher der Kinder- und Jugendanwaltschaft. "Die Jugendlichen hatten nicht die Möglichkeit, ihre privaten Utensilien in Kästen zu verstauen. Ihre persönlichen Gegenstände lagen frei verstreut im Zimmer. Es fehlten grundlegende Ausstattungsgegenstände in den Zimmern, zum Beispiel Tische, Sessel, ausreichend Kästen ..."

Die Küche sei versperrt gewesen und werde nur im Bedarfsfall geöffnet. Die Jugendlichen hätten im gesamten Haus "sichtlich keine Beschäftigung" gehabt, konnten es gleichzeitig aber auch nicht verlassen.

Gleiche Rechte für alle Kinder

Die Schlussfolgerung der Behörde ist bekannt: die Verlegung der Kinder und Jugendlichen, bis sich die Unterkunft in einem adäquaten Zustand befinde. "Diese adäquate Betreuung sehen wir zurzeit nicht als gegeben. Im Gegenteil – so wie sich die Unterbringung am heutigen Tag darstellte, widersprach sie grob den Kinderrechten und gefährdete aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft akut das Kindeswohl (Freiheitsentzug, mögliche Gesundheitsgefährdung, keine pädagogische Betreuung, Stacheldraht, des Weiteren siehe oben angeführter Sachverhalt)."

Die Jugendanwaltschaft betonte außerdem, "dass Jugendliche im Asylverfahren und auch solche mit rechtskräftig negativem Asylbescheid wie alle anderen Jugendlichen ein Recht auf adäquate, den Kinderrechten entsprechende Unterbringung haben, auch wenn ihnen Fehlverhalten vorgeworfen wird".

Abschließend wurden elf Empfehlungen abgegeben:

- Entfernung des Stacheldrahtzauns.
- Sicherstellung einer geeigneten sozialpädagogischen Betreuung (Tagesstruktur, Beschäftigung et cetera), zumal es sich um eine Gruppe Jugendlicher handle, die genau zu diesem Zweck in diese Sondereinrichtung verlegt wurden.
- Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Freiheitseinschränkungen beziehungsweise des fehlenden Kontaktes nach außen.
- Übergabe der betreuungsrelevanten Informationen der zugewiesenen Jugendlichen vor Zuweisung.
- Abklärung einer eventuell vorangegangenen medizinischen Betreuung und fachgerechte Fortsetzung notwendiger medizinischer Behandlungen.
- Jugendgerechte Ausstattung der Räumlichkeiten beziehungsweise Adaptierung der allgemeinen Räumlichkeiten, Möglichkeiten einer sinnvollen Tagesgestaltung.
- Fortsetzung allenfalls begonnener Ausbildungen.
- Grundreinigung zur Beseitigung der groben Hygienemängel, die eine Gesundheitsgefährdung nicht ausschließen lassen.
- Abklärung, ob Baumängel vorliegen (Belag auf den Stufen et cetera).
- Verständliche Hausordnung in den erforderlichen Sprachen.
- Externe Vertrauensperson durch die niederösterreichische Kinder- und Jugendanwaltschaft.

(red, APA, 3.12.2018)