Für Nicola Werdenigg ist das Ergebnis der Tiroler Kommission eine Genugtuung.

Foto: Matthias Cremer

Nicola Werdenigg hat nicht gelogen. Das ist nun amtlich und wird durch den Bericht der Tiroler Expertenkommission bestätigt. In monatelanger Arbeit haben im Auftrag des Landes und unter Leitung der Familienrichterin Andrea Wibmer-Stern Fachleute aus den Bereichen Justiz, Sport und Bildung die gemeldeten Fälle sexueller Übergriffe in der ehemaligen Skihauptschule Neustift im Stubaital sowie im Skigymnasium Stams untersucht.

Die vom Österreichischen Skiverband (ÖSV) eingesetzte Untersuchungskommission unter der Leitung der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic – die bereits von der katholischen Kirche zur Untersuchung der dort geschehenen Missbrauchsfälle beauftragt worden war – hatte ihren Auftraggeber schon im Mai 2018 quasi freigesprochen. Es seien keine Hinweise auf systematischen Missbrauch im ÖSV gefunden worden, hieß es in Klasnics Bericht. Seitens des ÖSV zog man sich stets auf den Standpunkt zurück, dass der Verband die Schulen nicht betreibe.

Die Ergebnisse der Tiroler Expertenkommission, bei der insgesamt 13 Meldungen von Opfern eingelangt waren, beschäftigen nun hingegen die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium, wo über das weitere Vorgehen entschieden wird.

Seit 1975 bekannt

Im Fall der ehemaligen Skihauptschule Neustift stehen zwei ehemalige Lehrpersonen im Zentrum der Ermittlungen. Ein ehemaliger Heimleiter soll in den 1970er-Jahren mehrere Buben sexuell missbraucht haben. Wie STANDARD-Recherchen ergeben haben, dürften diese Fälle dem ÖSV spätestens seit 1975 bekannt gewesen sein. Denn nachdem damals auch ein Sohn eines prominenten Sportfunktionärs zum Opfer geworden war, wurde der Beschuldigte als Heimleiter abgelöst. Bei einer diesbezüglichen Sitzung waren gemäß Protokollen auch hochrangige ÖSV-Funktionäre anwesend.

Der zweite Fall in Neustift datiert Ende der 1990er-Jahre zurück und wirkt bis heute nach. Denn der Beschuldigte konnte, obwohl seine Übergriffe aktenkundig sein mussten, weiter ungehindert Karriere im Schuldienst machen. Zuletzt wurde er 2013 befördert. Im Fall des Skigymnasiums in Stams sind Übergriffe von Schülern gegen Schüler Thema. Dort waren keine Lehr- oder Aufsichtspersonen involviert.

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat die Ermittlungen soweit abgeschlossen, wie Sprecher Hansjörg Mayr bestätigt. Die Ergebnisse habe man nun dem Justizministerium übermittelt, das über die weitere Vorgehensweise entscheide.

Seitens des Landes Tirol kann man zu den strafrechtlichen Konsequenzen bezüglich einzelner Fälle keine Auskunft geben. Aber Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) versichert, dass man die Ergebnisse des Kommissionsberichtes, der nicht veröffentlicht wird, sehr ernst nehme und für die Präventionsarbeit nutze. Auch die Anlaufstelle für Opfer von Gewalt im Sport werde weiterhin geöffnet bleiben, sollten sich weitere Betroffene melden wollen.

Für Nicola Werdenigg ist das Ergebnis der Tiroler Kommission eine Genugtuung: "Ich habe bereits mit einigen Betroffenen gesprochen, und wir sind alle erleichtert, dass es nun eine offizielle Bestätigung gibt." Man müsse nun abwarten, was die Staatsanwaltschaft vorhabe. (Steffen Arora, 3.12.2018)