Eine Molkerei fordert 160 Biolieferanten auf, verpflichtend dem Bioverband beizutreten. Das sorgt unter Betroffenen für Empörung. Auslöser dafür sind Supermärkte.

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Biopionier und Gründer der Hofer-Marke "Zurück zum Ursprung": Werner Lampert.

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Unter steirischen Biobauern gärt es. Grund ist Post von der Obersteirischen Molkerei und der Bio Ernte Steiermark. 160 Milchbetriebe werden darin aufgefordert, ab Jänner dem Bioverband beizutreten. Wer dies ablehnt, wird zu einer Zahlung eines jährlichen Sockelbeitrags und 0,2 Cent je gelieferten Kilo Milch verpflichtet, was in Summe dem Mitgliedsbeitrag gleichkommt.

Alle betroffenen Landwirte sind Lieferanten des Bioprojekts "Zurück zum Ursprung" des Lebensmittelhändlers Hofer. Anders als 300 weitere steirische Biobauern mussten sie bisher nicht Teil des Verbands sein. Von Zwangsmitgliedschaft und Strafzahlung ist auf ihren Höfen die Rede. Einzelne Lieferanten sehen einen möglichen Verstoß gegen das Kartellrecht, da es keinem freistehe, das Angebot abzulehnen. Alternative Abnehmer gibt es für sie keine.

Mitgliedschaft im Bioverband verlangt

Die Obersteirische Molkerei liefert 90 Prozent ihrer Biomilch an "Zurück zum Ursprung". Sie begründet den verpflichtenden Verbandsbeitritt damit, einheitliche Standards zu benötigen, um ihre Restmengen besser vermarkten zu können. "Es geht hier um Solidarität", sagt Geschäftsführer Friedrich Tiroch. Überdies verlangten auch Verarbeiter wie die Kärntner Milch von ihren Lieferanten die Mitgliedschaft im Bioverband.

Obmann Jakob Karner zieht den Vergleich von Gewerkschaftsbeiträgen heran: Milchbauern profitierten davon letztlich kollektiv.

Die eigentliche Wurzel dieser Maßnahme findet sich freilich im Lebensmittelhandel. Dieser liefert sich auf dem Biomarkt einen Wettlauf um höhere Standards. Rewe hat die Richtlinien für Biomilchlieferanten bereits nachgeschärft – Hofer zieht nach. Der Diskonter verlangt künftig neben Weidehaltung Auslauf für die Kühe an 365 Tagen im Jahr. Sie sollen bei jedem Wetter zumindest zwei Stunden lang raus. Parallel müssen sie ab 2022 weitgehend in Laufställen gehalten werden. Abgegolten wird der Mehraufwand für den Auslauf mit zwei Cent pro Kilo Milch.

Bergbauern bleiben auf der Strecke

Woran im Sinne des Tierwohls für viele Experten kein Weg vorbeiführt, hat einen Haken: Viele Bergbauern und Nebenerwerbsbetriebe bleiben auf der Strecke. In steilen Hanglagen ist ein Stallausbau oft nicht möglich – für einen täglichen Austrieb fehlt es im Nebenerwerb zumeist schlicht an der Kapazität. In Osttirol stiegen bereits 160 Bauern bei "Zurück zum Ursprung" aus. Keine Zukunft für sich darin sehen nun auch etliche steirischen Biobetriebe und ziehen den Schlussstrich unter die Milchproduktion. Die Kosten für den Laufstall ließen sich im Bergland in 20 Jahren nicht erwirtschaften, erzählt ein Betroffener. So begeistert er anfangs von der Biooffensive gewesen sei, "diese Auflagen lassen sich bei uns nicht erfüllen". Die Supermärkte spielten die Produktion damit letztlich in die Hand großer Betriebe, die sich Melkroboter leisten könnten.

Bei der Bio Austria ist man mit der Entwicklung nicht glücklich. Sie vom Tisch zu wischen ist aber nicht möglich, treffen Händler mit Lieferanten doch privatrechtliche Vereinbarungen über Standards.

"Es ist fraglich, ob sich der Lebensmittelhandel der Verantwortung für kleine Betriebe immer bewusst ist", sagt Verbandssprecher Markus Leithner: Es müsse auf regionale Gegebenheiten Rücksicht genommen werden, und es brauche weiterhin Ausnahmeregelungen für Kleinstbetriebe.

Beratung als Unterstützung

Bio Ernte Steiermark als Landesverband bietet den Milchproduzenten künftig verstärkt Beratung an, um sie dabei zu unterstützen, die neuen Richtlinien zu erfüllen und damit ihr Überleben zu sichern. Für den Beitritt zum Verband bzw. die Qualitätssicherung gebe es "ein Mehr an Leistung".

"Wir wollen kein Diktat über die Köpfe der Bauern hinweg. Aber wir können bei Tierwohl keine Kompromisse machen, wir zahlen ja auch den höchsten Milchpreis in Österreich", sagt Werner Lampert dem STANDARD. Der Gründer der Hofer-Marke "Zurück zum Ursprung" räumt ein, dass Bioverbände und Bauernkammern anfänglich "fuchsteufelswild" ob der höheren Auflagen gewesen seien. Nun aber arbeite man gemeinsam an vernünftigen Lösungen, denn "es gibt viele Wege nach Rom".

Lampert verspricht Modelle des aufgelockerten Laufstalls, die sich bereits ab 40.000 Euro realisieren ließen. "Auf zehn Jahre umgelegt kann ein Bauer damit leben." Von der Fantasie, im Hochgebirge große Laufställe zu bauen, müsse sich Österreich verabschieden. "Das ist unumsetzbar, es erfordert Investitionen, die sich über Generationen nicht verdienen lassen."

Nicht abrücken werde er vom täglichen Auslauf der Kühe. Für Landwirte im Nebenerwerb habe er hier keine Lösung, sagt er. Denn wie solle er Konsumenten erklären, dass deren Biomilch Abstriche beim Tierwohl habe? "Es wäre unsolidarisch und ein Witz." (Verena Kainrath, 4.12.2018)