Hinter der barocken Fassade vermutet niemand eine Kunsthalle für Gegenwartskunst, kritisiert Nicolaus Schafhausen, der Ende März die Kunsthalle Wien als Direktor verlassen wird.

Foto: Karl Schöndorfer TOPPRESS

Wien – Der Ende März 2019 scheidende Direktor der Kunsthalle Wien, Nicolaus Schafhausen, nutzte die Pressekonferenz zur Präsentation des Ausstellungsprogramms 2019 am Dienstag für Kritik am Standort der Institution. Die neue Leitung der Kunsthalle Wien werde "keine Leichen, Aliens oder Verpflichtungen vorfinden, die hier irgendwo rumliegen", sagte Schafhausen. Womit sie allerdings umgehen muss, sind die Standorte des Hauses. Denn für eine Kunsthalle im "dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts" sei das Museumsquartier ungeeigneter denn je. Der Standort sei "dysfunktional" und "unflexibel".

Probleme gibt es auch in der Dependance am Karlsplatz. Dort kann man aus konservatorischen Gründen weder Fotografie noch Malerei zeigen. Unglücklich sei es vonseiten der Kulturpolitik, so Schafhausen, diesen als kulinarischen Hotspot mit Kulturanhängsel zu umschreiben. Er schätze die urbanen Qualitäten dieser Adresse und stelle sie daher auch nicht zur Disposition.

Kritik an "jährlich höher werdenden Punschständen"

Mit der Urbanität im Museumsquartier ist Schafhausen hingegen nicht zufrieden. Dass das Areal kein öffentlicher Raum sei und vielen Restriktionen unterliege, kritisierte er ebenso wie den MQ-Weihnachtsmarkt. Sogar einem der beiden großen Häuser würde die Sichtbarkeit hinter jährlich höher werdenden Punschständen inzwischen Sorge bereiten. Für die Kunsthalle Wien sei die Situation noch dramatischer. "Hinter dieser barocken Fassade erwartet sich niemand zeitgenössische Kunst", spielte Schafhausen auf ein ganzjähriges Problem an.

Die "Libelle", der derzeit auf dem Dach des Leopold-Museums realisierte "Eventtempel", würde nun im Vergleich zu Häusern der Stadt und des Bundes zur sichtbarsten Institution des Museumsquartiers. Noch mehr Event hält der Kunsthallendirektor obendrein für "kontraproduktiv". Die Bespielung der Hallen E und F geschehe etwa – abgesehen von den Wiener Festwochen und Impulstanz – "diametral zu unserer Publikumszusammensetzung". Schafhausen freut sich, dass nun mit dem Antritt von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler auch die Standortdebatte neue Dynamik erhalten habe.

Kulturstadträtin bestätigt Standortdiskussion

Bei einem öffentlichen Panel mit der Kulturstadträtin Mitte November hatte das noch diffuser geklungen. Die Kunsthalle solle den Anforderungen einer wachsenden Stadt entsprechend in sie hinausgehen, hieß es dort. Nun bestätigte man auf Anfrage des STANDARD die Standortdiskussion. "Als lebendige Stadt müssen wir auch über Institutionen und deren Beweglichkeit sprechen", so Kaup-Hasler. Mögliche Optionen würden mit der künftigen Leitung geprüft. Vorgreifen werde man dem aber nicht. Die Standortfrage sei überdies nur ein Punkt unter vielen. Weitere relevante Punkte im Kunsthallen-Komplex sind laut Kulturstadträtin die inhaltliche Ausrichtung, die internationale Strahlkraft oder die Vermittlung. Im Museumsquartier sei nicht alles in Stein gemeißelt. Es bedürfe Beweglichkeit und Austausch, um nicht "zu einem erstarrten Ort" zu werden.

Viele Österreicher im Programm für 2019

Den Ausschreibungsprozess für seine Nachfolge kommentierte Schafhausen, der auch Teil des Thinktanks war, nicht. Man decke zwar die Kosten aus dem Budget der Kunsthalle, sei aber nicht in Wording oder Platzierung in lokalen wie internationalen Medien involviert.

Bei der Vorstellung des Ausstellungsprogramms fiel die wesentlich höhere Österreicher-Quote auf: Neben dem bisher nie "im Fokus" gestandenen Heinz Frank (ab 20. Februar), der 2019 seinen 80. Geburtstag feiert, sind Soloausstellungen auch Peter Friedl (ab 22. März) und Andreas Fogarasi (ab 13. November) gewidmet. Das österreichische Kollektiv Gelatin stellt gemeinsam mit seinem Galeriekollegen Liam Gillick aus (ab 5. Juli). Die deutsche Künstlerin Annette Kelm, der die kommende Woche startende Ausstellung (ab 14. Dezember) gewidmet ist, gehört im übrigen auch zum Portfolio der Wiener Galerie Meyer Kainer, die bis vor einigen Jahren auch Peter Friedl vertrat.

Vielversprechend klingt der Beitrag für die Vienna Biennale: In "Hysterical Mining" (ab 29. Mai) soll die Verknüpfung von Technologie und Männlichkeit aus feministischer Perspektive beleuchtet werden. "Time ist Thirsty" (ab 30. Oktober) begibt sich auf einer Art Zeitreise ins Jahr 1992, das Gründungsjahr der Kunsthalle.

Schwierige Suche nach internationalen Sponsoren

Das Budget – man hat um Erhöhung der seit Jahren gleich gebliebenen Subventionen von 3,85 Millionen Euro auf über 4 Millionen angesucht – sei zwar noch nicht durch den Gemeinderat, aber an der Durchführung des Programms zweifelt Schafhausen nicht. Allerdings, so streut er ein, sei es bei einem stärkeren Fokus auf österreichische Künstler sehr schwierig, internationale Sponsorengelder zu lukrieren. (Anne Katrin Feßler, 4.12.2018)