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Empathische Kommunikation ist unter Zeitdruck möglich – und lässt Patienten rascher gesunden, sagen Experten.

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Keine Geduld, knappe Antworten auf komplizierte Fragen, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden: Viele Patientinnen und Patienten sind von der ärztlichen Behandlung enttäuscht. Das zeigen persönliche Gespräche, Internetbewertungen auf Docfinder, auch eine Diskussion im STANDARD-Forum. Darin beklagen die User, dass ihnen die Zuwendung der Ärztinnen und Ärzte fehlt. Zuletzt hat auch die aktuelle Debatte um Homöopathie dieses Thema angestoßen.

Doch das eigentliche Problem liegt für Maximilian Gottschlich darunter. Der emeritierter Publizistikprofessor der Universität Wien hat sich intensiv mit der Arzt-Patienten-Kommunikation befasst und sieht den Grund in der Kommunikation. Sie werde in der Ausbildung vernachlässigt und ihr im Spitalsalltag kein Raum gegeben. Denn gerade im Krankenhaus arbeiten Ärzte meist unter hohem Zeitdruck, behandeln Patienten im Akkord und müssen auch noch Bürokratie erledigen. Dabei geht offenbar das, was die Patienten wollen, oft unter.

Gute Kommunikation und Zeitknappheit – schließt sich das aus?

Nein, sagt Kommunikationswissenschafter Gottschlich. "Gute Kommunikation kann auch schnell gehen. Statt vieler Worte geht es um eine offene Grundhaltung gegenüber dem Patienten", sagt er. Man müsse signalisieren, den Patienten zu verstehen, "den Weg zur Heilung gemeinsam zu gehen". So sehe man den Menschen, berücksichtigt dessen Leidensgeschichte, Lebensumstände, Stressfaktoren. So ließen sich auf einfache Weise Ängste nehmen. "Es reichen nachweislich 40 Sekunden empathische Zuwendung, um Patienten zu beruhigen."

Keine Autowerkstatt

Fixiere man sich allein auf die Symptome, vernachlässige man, dass Gesundheit und Psyche zusammenhängen. "Dann ist die Medizin nichts anderes als eine Reparatur wie in der Autowerkstatt", sagt Gottschlich.
Dass das Gespräch eine wichtige Rolle spielt, zeigt auch eine Untersuchung von Forschern aus Coburg, München, Oxford und Vilnius. Sie haben Patientenbewertungen aus 64 unterschiedlichen Studien analysiert. Ärztinnen und Ärzte werden vor allem dann als einfühlend wahrgenommen, wenn sie Verständnis äußern und die Bedürfnisse der Patienten bei ihren Empfehlungen berücksichtigen.

So entstehe auch eine Vertrauensbasis, erklärt Gottschlich. Doch diese fehlt scheinbar häufig. Eine aktuelle Analyse im Fachmagazin Jama, bei der mehr als 4500 Erwachsene befragt wurden, zeigt: Bis zu 80 Prozent der Befragten lügen ihren Arzt gelegentlich an. Sie geben vor, sich gesund zu ernähren, und ausreichend Sport zu treiben oder verschweigen, ihre Medikamente nicht genommen zu haben. Über das eigene Verhalten nicht oder nur verkürzt zu sprechen, habe oft mit einer festgefahrenen Kommunikation in der Praxis zu tun, vermuten Experten. "Das ist ein Alarmschrei der Patienten, dass sie kein Vertrauen zum Arzt haben. Aus lauter Angst lügen sie", sagt Gottschlich.

Authentizität wichtig

Um das Vertrauen zu stärken, ist jedoch auch die Gestik und Mimik entscheidend. "Daran erkennen Patienten, ob der Arzt authentisch ist, ob er das so meint, wie er es sagt", erklärt Gottschlich. Die Ärzte könnten auch mit den Patienten mitweinen, ihnen die Hand auf die Schulter legen, um Mitgefühl zu zeigen.

Antrainierte Freundlichkeit und Floskeln reichen nicht aus, denn dadurch fühlen sich die Patienten nicht ernst genommen, wie Studien zeigen. "Wie man mit Patienten am besten umgeht, kann man nicht in einem Wochenendseminar lernen und ist nicht auf rhetorische Tricks zu reduzieren", sagt Gottschlich. Deshalb könne man das im Studium nicht in Rollenspielen üben. "So man lernt nur Verhaltensmuster, wie man routiniert in einer Situation umgeht, dabei ist ja das individuelle Schicksal ausschlaggebend."

Gewisse Strategien für eine bessere Gesprächsführung seien "selbstverständlich erlernbar", sagt Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck. "Kommunikation wird einem, ebenso wie Spritzengeben oder Blutdruckmessen, nicht in die Wiege gelegt." Auch er ist der Meinung: Gute Kommunikation ist in knapper Zeit möglich. Wie, das werde im Medizinstudium in einschlägigen Vorlesungen vermittelt. Während Praktika würden den Studierenden Mentorinnen und Mentoren zur Seite gestellt, bei denen sie sich Rat holen können.

Gelingt die Kommunikation, fördere das die Heilung. "Das ist nicht nur ein moralischer und therapeutischer Faktor, sondern auch ein ökonomischer", sagt Gottschlich. Denn: Werden die Leute schneller gesund, können sie früher entlassen werden – und sind somit billiger für das Spitalssystem. (Lisa Breit, Selina Thaler, 11.12.2018)