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Jeffrey Epstein bei seiner Gerichtsanhörung 2008.

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Donald Trump mit seinem Arbeitsminister Alexander Acosta.

Foto: AP / Pablo Martinez Monsivais

Washington – US-Senator Ben Sasse konnte sich, so wird bei der Lektüre seines Briefes klar, kaum einkriegen. "Die Tatsache, dass dieses Monster eine derart erbärmlich geringe Strafe bekommen hat", schreibt er in einer Mitteilung an das US-Justizministerium, "sollte uns alle erzürnen." Der Republikaner sticht damit, jedenfalls wenn man US-Medienberichten glaubt, in ein politisches Wespennest. Zahlreiche prominente Politiker beider Parteien befinden sich im Telefonbüchlein des von Sasse als Monster Bezeichneten: Fondsmanager Jeffrey Epstein. Unter ihnen ist Ex-Präsident Bill Clinton ebenso wie der aktuelle Amtsinhaber Donald Trump – und viele weitere.

Die Bestandteile des Falls Epstein liegen zum Großteil schon einige Jahre in der Vergangenheit, sie sollen sich in den 2000er-Jahren abgespielt haben. Doch dieser Tage holt die Affäre um den Vorwurf des Missbrauchs Minderjähriger und der politischen Vertuschung die amerikanische Öffentlichkeit wieder ein.

"Umgekehrtes Pyramidenspiel" mit Mädchen

Begonnen hatte es vor einigen Wochen mit einem ausführlichen Bericht der Zeitung "Miami Herald". Dem Blatt erzählten mutmaßliche Betroffene und Opfer, was sie Epstein vorwerfen: Er soll über mehrere Jahre Mädchen ab etwa zwölf Jahren für "Massagen" in seine Villa gerufen und sie häufig dazu aufgefordert haben, sich dabei auszuziehen. In einigen Fällen soll es auch zu sexuellem Missbrauch gekommen sein. Die Zeitung beschreibt ein System, das sie als "umgekehrtes Pyramidenspiel" bezeichnet: Mädchen, die bereits zu Opfern Epsteins geworden seien, habe er anschließend dafür bezahlt, in Shoppingcentern und an ihren Schulen die Kunde zu verbreiten, dass er viel Geld für "Massagen" bezahle – um damit weitere Opfer zu rekrutieren.

Dass der Fall wieder aktuell wird, hat mit einer bestimmten Personalie zu tun: Alexander Acosta, seit Mitte 2017 US-Arbeitsminister im Dienste Trumps, eine Zeit lang Favorit für die Nachfolge Jeff Sessions' als Justizminister. Der Republikaner war im Jahr 2007 oberster Strafverfolger im Bezirk südliches Florida – und damit verantwortlich für jenes Strafmaß, das nun Sasse und bisher 15 weitere Abgeordnete aus beiden Parteien noch einmal untersuchen lassen wollen: Nach Untersuchungen des FBI, das mindestens 36 Fälle junger Mädchen aufzeichnete, die in ähnlich lautenden Aussagen Epstein unabhängig voneinander sexuelle Belästigung vorwerfen, wurde er 2008 zu einer Haftstrafe von 18 Monaten verurteilt.

Milde Strafe, prominenter Staatsanwalt

Epstein hatte einen Deal mit der Staatsanwaltschaft abgeschlossen, wonach er sich nur in zwei Fällen der Zuhälterei (eine Anklage, die außer Acht ließ, dass eines der beiden Opfer unter 18 Jahren war) schuldig bekannte. Der "Miami Herald" hat für seine Geschichte Gesprächsprotokolle und Mails zwischen Epsteins Verteidigern und den Behörden eingesehen. Sie lassen den Verdacht plausibel erscheinen, es habe Absprachen gegeben, die über die gewöhnliche Kommunikation zwischen Behörde und Anwälten hinausgehen. Die Staatsanwältin Marie Villafaña etwa besprach mit dem Verteidigungsteam ihre Strategie: "Ich werde Mitangeklagte erwähnen, würde aber den Richter ungern auf all die anderen Verbrechen hinweisen, für die wir Anklage erheben könnten."

Seine Haft verbüßte Epstein – mit der Möglichkeit eines zwölfstündigen Ausgangs in sein Büro sechsmal pro Woche – in einer vom sonstigen Gefängnis abgetrennten Zelle des Polizeigefängnisses von Palm Beach. Wegen guter Führung wurde er nach 13 Monaten auf Bewährung entlassen. Seither werden immer wieder Fälle bekannt, in denen sich Epstein außergerichtlich mit Streitgegnern einigte, um Aussagen möglicher weiterer Anklägerinnen zu verhindern – zuletzt am Montag.

Die Angelegenheit ist deshalb brisant, weil Epstein beste Kontakte nachgesagt werden. Sie umfassen wichtige Politiker beider großer Parteien und sind in der Vergangenheit auch zum Gegenstand völlig unbewiesener Verschwörungstheorien geworden, die weit über die gerichtlich oder polizeilich behandelten Vorwürfe gegen Epstein hinausgehen – und sich zum Teil auch auf rechten und antisemitisch motivierten Seiten wiederfinden.

Manifestes und Verschwörerisches

Das Netz aus Manifestem und Verschwörungstheoretischem ist dabei teils schwer aufzutrennen. Dafür gibt es mehrere Beispiele: So pflegte etwa Donald Trump nach eigener Aussage in den 1990er-Jahren ein freundschaftliches Verhältnis zu Epstein, 2002 ließ er sich im "New York Magazine" mit der Aussage zitieren, er "kenne Jeff seit 15 Jahren. Toller Kerl. Man hat viel Spaß mit ihm. Angeblich mag er schöne Frauen so gerne wie ich, viele von ihnen sind auf der jüngeren Seite." Für im Wahlkampf 2016 aufgekommene anonyme Behauptungen, Trump habe auf einer Party Jeffrey Epsteins eine damals 13-Jährige belästigt, gibt es hingegen keinerlei belastbare Anhaltspunkte.

Ähnlich bei Bill Clinton, dessen Kontakte zu Epstein gleichfalls belegt sind: 2002 finanzierte der Fondsmanager einen Afrika-Trip in seiner Boeing 727, den Clinton gemeinsam mit dem Schauspieler Kevin Spacey unternahm. Es ging um eine Anti-HIV-Kampagne. Zutreffend ist zudem, dass Epstein in den 1990er-Jahren großzügige Parteispenden an demokratische Kandidatinnen und Kandidaten überwies. Völlig unbewiesen sind allerdings damit zusammenhängende Texte auf rechten Verschwörungs-Webseiten, die ohne Vorlage aussagekräftiger Indizien über den Aufbau von Pädophilenringen spekulieren. Wilde Theorien gibt es auch über sonstige angebliche Freunde Epsteins.

"Nur eine sehr, sehr alte Russin"

Epstein selbst, der mittlerweile auf den Amerikanischen Jungferninseln in der Karibik lebt, hat abseits jenes Falles, in dem er verurteilt wurde, sämtliche Vorwürfe stets zurückgewiesen. Gleiches tat am Dienstag auch wieder einmal sein Anwalt Alan Dershowitz.

Der prominente, einst liberale Jurist, der zwischenzeitlich zum medialen Verteidiger Donald Trumps mutiert ist, musste dabei aber auch Vorwürfe der sexuellen Belästigung zurückweisen. Er habe im Haus Epsteins nur einmal eine Massage entgegengenommen, sagte er. Es sei "eine therapeutische Behandlung durch eine sehr, sehr alte Russin" gewesen. Er sei daher auch nicht erpressbar. (Manuel Escher, 6.12.2018)