Dieser 99 Millionen Jahre alte Bernstein hatte Entomologen einiges zu bieten.
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

Jena – So, wie es zahlreiche Wespenarten gibt, die ihre Eier im oder am Körper von Spinnen und Insekten ablegen, die dann von den schlüpfenden Wespenlarven aufgefressen werden, können auch Wespen zu Opfern werden. In diesem Fall sind winzige Insekten aus der Ordnung der Fächerflügler (Strepsiptera) die Täter – neben Wespen können allerdings auch Heuschrecken und andere Insekten zum Handkuss kommen.

Ungebetene Dauergäste

Die Larven der Fächerflügler bohren sich in den Hinterleib ihres Opfers und ernähren sich von dessen Körpersäften. Die Weibchen der meisten Fächerflügler-Arten verbringen auch gleich ihr komplettes Erwachsenenleben im Körper des Wirts, da sie sich nicht aktiv fortbewegen können.

Nur die Männchen ziehen nach der Verpuppung aus, um sich zur Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen aufzumachen – wofür ihnen nur wenige Stunden bleiben. Aus der Paarung gehen in der Regel hunderte bis tausende Larven hervor. Der Nachwuchs muss sich allerdings ein eigenes Insekt als Zuhause suchen, da der Wirt den Fächerflügler-Befall nicht überlebt.

Außergewöhnliche Konstanz

Diese Form von Parasitismus ist offenbar ein evolutionäres Erfolgsmodell, wie die Universität Jena berichtet. Es läuft schon seit mindestens 99 Millionen Jahren – der Beleg dafür: Die Jenaer Forscher fanden in einem Bernstein aus Myanmar das entsprechend alte Fossil einer Primärlarve eines Fächerflüglers, also einer Larve im ersten Entwicklungsstadium.

Laut dem Team um Hans Pohl unterscheidet sich das kreidezeitliche Tier nur unwesentlich von den heutigen Exemplaren. "Diese Parallelen deuten darauf hin, dass hier eine etwa 100 Millionen Jahre lange evolutionäre Konstanz vorliegt. Eine solche Dauer ist schon sehr außergewöhnlich. Die Fächerflügler haben also bereits vor sehr langer Zeit ihre Lebensweise perfekt an ihre Umgebung angepasst", sagt Pohl.

Ein vielzelliges Tier in Einzeller-Dimensionen: Die fossile Fächerflüglerlarve ist ganze 0,2 Millimeter lang.
Foto: Hans Pohl/FSU

Die Entdeckung des rund 99 Millionen Jahre alten Exemplars komme einem Glücksfall gleich: "In dem nicht einmal drei Zentimeter großen Bernstein sind insgesamt über 60 fossile Tiere eingeschlossen, unter anderem Käfer und Milben. Die Fächerflüglerlarve ist mit ihren 0,2 Millimeter Länge nur mithilfe eines Mikroskops erkennbar", sagt Pohl. "Auch heute noch zählt sie mit einer Größe vergleichbar mit einem einzelligen Pantoffeltierchen zu den kleinsten bekannten Vielzellern überhaupt." (red, 6. 12. 2018)