Neue Daten zur Schmelze des Eisschildes von Grönland machen die Folgen der Erderwärmung durch den Menschen deutlich.

Foto: Woods Hole Oceanographic Institution / M. Osman

Es ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, dass sich Staatschefs aus aller Welt 1992 beim UN-Klimagipfel in Rio de Janeiro darauf verständigt haben, die gefährlichen menschengemachten Einflüsse auf das Klima zu bremsen. Von wesentlicher Bedeutung dabei ist die Reduktion von Kohlenstoffdioxid, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Öl, Kohle und Gas freigesetzt wird. Denn das Treibhausgas CO2 gilt als wesentlicher Faktor für die Erderwärmung.

Doch trotz der politischen Absichtserklärungen der vergangenen Jahrzehnte konnte der globale CO2-Ausstoß nicht gebremst werden. Im Gegenteil: Wie Forscher in den Wissenschaftsjournalen "Nature", "Earth System Science Data" und "Environmental Research Letters" berichten, deuten die Berechnungen darauf hin, dass der CO2-Ausstoß 2018 gegenüber dem Vorjahr um 2,7 Prozent angestiegen ist. Laut den Forschern liegt der Bereich, in dem der Anstieg jedenfalls liegen wird, zwischen 1,8 und 3,7 Prozent.

Energiewende noch nicht geschafft

Bei 2,7 Prozent Zuwachs wird heuer so viel Kohlenstoffdioxid wie in keinem Jahr zuvor freigesetzt werden, nämlich rund 37 Milliarden Tonnen (siehe Grafik). Die führenden CO2-Verursacher aktuell sind China (27 Prozent), die USA (15 Prozent), die EU (zehn Prozent) und Indien (sieben Prozent). 2018 ist damit das zweite Jahr in Folge, in dem der globale CO2-Ausstoß gestiegen ist, 2017 betrug die Zunahme 1,6 Prozent. Zwischen 2014 und 2016 sind die Emissionen hingegen annähernd konstant geblieben. Damals hatten Wissenschafter auf eine Trendwende gehofft, 2017 noch einen einmaligen Ausrutscher für möglich gehalten. Mit dem erneuten Anstieg 2018 scheint aber klar, dass die Energiewende noch längst nicht geschafft ist.

Ziellinie nicht in Sicht

Um das 2015 in Paris vereinbarte Ziel von 1,5 Grad Celsius Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu erreichen, müssten die Emissionen bis 2030 um 50 Prozent reduziert werden, bis 2050 müssten sie überhaupt auf null sinken, betont die leitende Forscherin der Studie, Corinne Le Quéré, Direktorin des Tyndall-Zentrums für Klimaforschung und Professorin für Klimawandel an der University of East Anglia in Norwich, England. "Davon sind wir weit entfernt", sagt Le Quéré.

"Die Emissionen müssen stark zurückgehen, um dem Klimawandel zu begegnen. Doch mit dem Zuwachs an Emissionen in diesem Jahr sieht es so aus, dass der Peak noch nicht in Sicht ist", so die Klimaforscherin. Dabei hätten die Menschen in diesem Jahr gesehen, welche enormen Auswirkungen der Klimawandel haben kann, indem er etwa weltweit zu Hitzewellen führt. "Die Waldbrände in Kalifornien sind nur ein Schnappschuss der zunehmenden Folgeerscheinungen, wenn wir die Emissionen nicht rasch zurückfahren", sagt Le Quéré.

Rückgang bei Emissionen trotz Wirtschaftswachstum

Dass es auch anders möglich wäre, zeigen 19 Länder, die ihre CO2-Emissionen trotz Wirtschaftswachstums im vergangenen Jahrzehnt reduzieren konnten: Nach Angaben der Wissenschafter sind Schwergewichte wie die USA und Frankreich darunter, mit der Schweiz, Slowenien und der Slowakei auch einige unserer Nachbarländer, nicht aber Österreich selbst.

Eine weitere aktuelle Studie in "Nature" macht auf die Langzeitfolgen der durch menschliche Aktivitäten beschleunigten Erderwärmung aufmerksam: Wie ein Forscherteam berichtet, hat die Schmelze des grönländischen Eisschilds im Vergleich mit den vorangegangenen Jahrhunderten seit Mitte des 19. Jahrhunderts dramatische Ausmaße erreicht. "Das Schmelzen des Grönland-Eisschilds hat sich gewaltig beschleunigt", sagt der Erstautor der Studie Luke Trusel von der Rowan University in New Jersey.

Mehr Schmelzwasser

"Als Folge davon trägt die Grönland-Eisschmelze mehr denn je zuvor in den vergangenen dreieinhalb Jahrhunderten zum Anstieg des Meeresspiegels bei", sagt Trusel. Wobei anzumerken ist: Der Anstieg der Gletscherschmelze setzte zur selben Zeit ein, als die Industrialisierung ab Mitte der 1800er-Jahre die Atmosphäre veränderte. "Wir haben einen 50-prozentigen Anstieg des Schmelzwassers verglichen mit dem vorindustriellen Zeitalter festgestellt", sagt Co-Autorin Sarah Das, Gletscherforscherin an der Woods Hole Oceanographic Institution. Die Daten deuten auf eine weitere Beschleunigung der Eisschmelze selbst bei nur geringem Temperaturanstieg hin. (Tanja Traxler, 6.12.2018)