Nach scharfer Kritik rudert Türkis-Blau zurück: Es soll keine eigenen Bereiche für Privatversicherte in Ambulanzen geben.

Foto: Elmar Gubisch

Knapp ein Jahr ist die türkis-blaue Regierung nun im Amt, selten konnte die Opposition die politische Agenda der Regierung übertönen. Bei der Debatte um Sonderklassegebühren für ambulante Spitalsbehandlungen, die vergangenen Dienstag im Gesundheitsausschuss beschlossen wurden, haben SPÖ und Neos Druck gemacht – mit Erfolg: Die umstrittene Passage soll nun doch nicht kommen, heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus dem ÖVP-Klub. In welcher Form die Rücknahme der Novelle im Nationalrat eingebracht wird, ist noch offen. Möglich ist ein Abänderungs- oder Entschließungsantrag. Ein Inkrafttreten soll jedenfalls verhindert werden, lautet die Auskunft aus dem Kanzleramt.

Umstrittene Gegenleistungen

So klar war das in den vergangenen Tagen noch nicht. Konkret geht es um eine Novelle des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG): Länder sollten die Möglichkeit erhalten, Sonderklassegebühren für Leistungen einzuheben, die bisher stationär erbracht wurden. Ergänzt wurde das Vorhaben damit, dass der Verrechnung "adäquate Leistungen gegenüberzustehen haben".

Was genau unter den Gegenleistungen verstanden wird, geht aus dem Text nicht hervor. Doch der Versicherungsverband übermittelte seine Vorstellungen, die von einem eigenen Wartebereich, einem separaten Sonderklasseschalter oder mit Patientengesprächen mit dem gewählten behandelden Arzt, Primar bzw. Stellvertreter ausgingen. Zunächst lobte Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) die Novelle als "großen Erfolg" hinsichtlich "Qualität, Flexibilität und Effektivität", was die Oppositionsparteien empörte. "VIP-Behandlungen für Sonderklassepatienten", kritisierte SPÖ-Abgeordneter Philipp Kucher, "Mehrklassenmedizin" und eine "Überholspur für jene, die es sich leisten können", nannte Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker das Vorhaben. Die Ressortchefin versuchte noch die Verantwortung abzuschieben und erklärte: "Das ist eine Erfindung der Opposition", bis schließlich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) klarstellte: Es werde keine Bevorzugungen in Spitälern geben.

Erstaunlich viele Österreicher haben eine private Krankenversicherung abgeschlossen. Laut Versicherungsverband gibt es 3,2 Millionen Verträge (möglich sind auch Mehrfachabschlüsse, Anm.) Eine bessere Versorgung dürfen Versicherungen ihren Klienten aber nicht versprechen, sagt Gerald Bachinger, niederösterreichischer Patientenanwalt, dem STANDARD: "Die rechtliche Lage ist eindeutig." Versicherungen dürfen nur eine "Hotelkomponente" anbieten, also besseres Essen und nach Möglichkeit ein Einzelzimmer.

Dennoch sei es ein lukratives Geschäft, auch für Spitäler. Außerdem sei es wichtig, Behandlungen, die bisher stationär durchgeführt wurden, in den ambulanten Bereich zu verlagern. "Das ist günstiger und für den Patienten besser", sagt Bachinger, etwa um sie nicht einer Infektionsgefahr auszusetzen.

Sonderklasse neu ordnen

Im Namen aller Patientenanwälte fordert er in einem offenen Brief, die Regierungsparteien sollen unmissverständlich festlegen, dass es keine Bevorzugung geben werde. Außerdem spricht sich Bachinger dafür aus, das komplette System der Sonderklasse neu aufzusetzen: "Es ist intransparent. Ärztegruppen wie Neurologen, Kinderärzte oder Psychiater werden benachteiligt, weil sie kaum Privatpatienten haben und auch Berufsgruppen wie OP-Schwestern werden übergangen", kritisiert der Patientenanwalt. Das Leistungsprinzip sollte durch ein angemessenes und leistungsgerechtes Grundeinkommen erfolgen und nicht über intransparente Zusatzeinkommen. "Wir sprechen uns durchaus für eine sehr gute Bezahlung der Ärzte aus. Aber nicht durch Umwege über ärztliche Sonderhonorare."

Die SPÖ will einen eigenen Abänderungsantrag einbringen, um zu verhindern, dass "ein Reicher mit geringeren Beschwerden einem Armen mit schwerwiegendem Leiden bevorzugt" werde, wie es Jörg Leichtfried, stellvertretender Klubobmann der SPÖ, ausdrückt. Er will sogar ein Verbot von Sonderklasse für ambulante Leistungen.

Einzig die Ärztekammer konnte den ursprünglichen Regierungsplänen etwas abgewinnen. Präsident Thomas Szekeres glaubt, dadurch eine Abwanderung in Privatspitäler und eine Zweiklassenmedizin verhindern zu können. (Marie-Theres Egyed, 11.12.2018)