Dank alphabetischer Sitzordnung hat Austria bei UN-Konferenzen einen Platz in der ersten Reihe. In Marrakesch bleibt er leer.

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Der "Zirkus" ist da. So hat ein renommierter Migrationsforscher, der an dieser Stelle ungenannt bleiben soll, das bezeichnet, was sich am Montag und Dienstag in Marrakesch abspielt – wenn sich geschätzte 5.000 bis 6.000 Menschen aus aller Welt einfinden, um der feierlichen Annahme des UN-Migrationspakts beizuwohnen. Die Manege, in der sich alles abspielt, ist ein kleiner Traum, den Gastgeber Marokko extra für die Konferenz aus dem Boden gestampft hat. Ein brandneuer Gebäudekomplex am Bab Ighli, nicht weit entfernt von Marrakeschs berühmter Medina. Verziert mit zahlreichen Palmen, während im Hintergrund das Atlasgebirge am strahlend blauen Himmel kratzt. Die angenehmen 23 Grad am Tag machen die ganze Szenerie dann perfekt. Es ist fast schon kitschig.

Am Vorabend machte der rote Teppich noch einen erbärmlichen, weil halbfertigen Eindruck. Pünktlich am Montag um 7.30 Uhr war aber auch hier alles erledigt, konnten die hochrangigen Staatenvertreter gebührend empfangen werden. Österreich, das sollte mittlerweile bekannt sein, verzichtet auf Marrakesch, verzichtet darauf, den Migrationspakt zu unterstützen. Der Platz in der ersten Reihe bleibt also leer – wie einige andere auch.

Sechs Länder überlegen noch

Von den 193 UN-Mitgliedstaaten sind 164 anwesend. "Bei Konferenzen außerhalb des UN-Hauptsitzes in New York kommen nie alle. Diese Zahl liegt so gesehen im üblichen Bereich", erklärte Louise Arbour, UN-Sonderbeauftragte für internationale Migration. Bulgarien, Estland, Italien, Israel, Slowenien und die Schweiz könnten den Pakt später annehmen, sie beraten noch. Offiziell die Absichtserklärung verweigert haben laut Uno neben Österreich noch Australien, Tschechien, die Dominikanische Republik, Ungarn, Lettland, Polen, die Slowakei, die USA sowie Chile. Das sind insgesamt zehn Länder, über die restlichen 13, die keine Vertreter schickten, gab es vorerst keine weiteren Infos.

Laut Organisatoren sind 81 Minister sowie 18 Staatsoberhäupter beziehungsweise Regierungschefs angereist. Der wohl prominenteste Name ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sollte auch im Lauf der Konferenz als Rednerin auftreten.

Zunächst war aber UN-Generalsekretär António Guterres an der Reihe: "Der Pakt soll als Roadmap dienen, um Leid und Chaos zu verhindern", sagte der Portugiese zu Beginn. Ausführlich widmete er sich dann den vielen Falschinformationen, die von Gegnern des Pakts verbreitet wurden: "Falsch: Die nationale Souveränität wird nicht berührt. Falsch: Es gibt kein neues Menschenrecht auf Migration. Falsch: Die weltweite Migration findet nicht vorwiegend von Süd nach Nord statt, sondern von Süd nach Süd."

Um 10.20 Uhr ist es schließlich so weit: Der Pakt wird per Akklamation angenommen. Der Beifall ist zu Beginn noch verhalten, offenbar sind viele ob des Prozederes unsicher. Irgendwann klatschen aber doch alle im Saal mit. Mit dem Pakt sollen die Probleme rund um Migration weltweit besser angegangen werden. 23 Ziele wurden formuliert, darunter verstärkter Grenzschutz oder der Kampf gegen Schlepper. Weltweit gibt es 277 Millionen Migranten.

Standing Ovations für Merkel

Weit mehr Applaus erhält später aber Angela Merkel. "Die Vereinten Nationen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Ich stehe nun hier als Kanzlerin Deutschlands, eines Landes, das damals durch puren Nationalismus so viel Leid gebracht hat", sagte sie und erinnerte daran, dass vor genau 70 Jahren die Menschenrechtserklärung verabschiedet wurde. "Es lohnt sich, um den Pakt zu kämpfen, denn im Kern geht es bei den Diskussionen um die Frage des Multilateralismus. Aber nur so wird die Welt besser, nationale Alleingänge können die Probleme nicht lösen." Ende der Rede, Standing Ovations.

Am Dienstag wird die Konferenz mit Gesprächen darüber fortgesetzt, wie man den Pakt umsetzen kann. Am 19. Dezember soll er dann in der UN-Generalversammlung angenommen werden. Wie es dann weitergeht, hängt von den Ländern ab.

Und was gibt es noch zu den Gegnern des Migrationspakts zu sagen? Hätte die Uno mehr machen können, um Widerstand zu verhindern? "Man kann immer mehr machen", erklärt Sonderbeauftragte Arbour. "Es hätte aber nicht die Meinung jener geändert, die dagegen sind und teilweise den Pakt nicht gelesen haben. Es wäre ein Dialog mit Leuten gewesen, die für diese Sache taub sind." (Kim Son Hoang aus Marrakesch, 10.12.2018)