Marc Gisin verlor bei dem heftigen Aufprall das Bewusstsein.

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Gröden – Der Schweizer Skirennläufer Marc Gisin befindet sich nach seinem schweren Sturz bei der Weltcup-Abfahrt am Samstag auf der Saslong in Gröden weiter in einem stabilen Zustand. Gisin, der kurzzeitig bewusstlos war, habe "zum Glück keine schwerwiegenden" Kopfverletzungen erlitten, teilte der Schweizer Skiverband am Sonntagnachmittag mit.

Gisin wurde am Samstagabend mit der Schweizerischen Rettungsflugwacht in die Schweiz geflogen. Genauere Untersuchungen im Kantonsspital von Luzern hätten "mehrere Rippenbrüche auf der rechten Seite" ergeben, daraus resultierten auch "Verletzungen in der Lunge". Das Becken sei "außer einer leicht eingedrückten Hüftpfanne unverletzt" geblieben, "glücklicherweise blieb der Rücken bis auf einige nicht gravierende Frakturen an der Wirbelsäule unbeschädigt." Gisin wird vorerst weiter auf der Intensivstation behandelt.

Déjà-vu

Für Gisin war es der zweite fürchterliche Sturz innerhalb von knapp vier Jahren. 2015 hatte Gisin beim Super-G-Sturz an der Hausbergkante in Kitzbühel beim Aufprall mit dem Kopf auf der Piste ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Auch damals war er sofort ohne Bewusstsein und wurde mit dem Hubschrauber geborgen. Er hatte lange mit den Folgen zu kämpfen.

In seiner Kolumne in der "Neuen Zürcher Zeitung" vom Samstag hatte Gisin unter dem Titel "Wie ein Sturz im Kopf funktioniert" unter anderem über den Kitzbühel-Sturz geschrieben. "Drehend und unkontrolliert aus mehreren Metern Höhe in einen vereisten Hang zu fliegen, der eine 75-prozentige Neigung aufweist, löst im Körper einiges aus. Jede Faser in mir stellte sich sofort und automatisch auf den Aufprall ein. Danach wurde es dunkel, und meine nächste Erinnerung sollte das Spitalbett in der Uniklinik Innsbruck sein. Es war mein bisher folgenschwerster und letzter Sturz."

Airbag-Debatte

Spätestens nach dem schweren Sturz ist die Diskussion über die Sicherheit wieder entbrannt. Speziell das Thema Airbag könnte wieder in den Mittelpunkt rücken. "Solange es keine Regel dafür gibt, werde ich nicht damit fahren", positionierte sich Gröden-Sieger Aleksander Aamodt Kilde. Auch Beat Feuz und Max Franz verzichten darauf.

"Gewisse Athleten fahren mit Airbag, gewisse Athleten fahren ohne Airbag. Marc Gisin fährt ohne Airbag, wenn ich das richtig in Erinnerung habe", beschrieb Feuz die Situation im Schweizer Team. Laut der Herstellerfirma Dainese waren am Samstag nur sehr wenige Schweizer Abfahrer mit dem Airbag unterwegs, genannt wurde Ralph Weber. Der Einsatz ist von der FIS nicht verpflichtend.

Drei Jahre im EInsatz

Nach einer langen Testphase war das "D-air"-System, das Oberkörper und Nacken der Sportler schützen soll, zu Beginn der Saison 2015/16 eingeführt worden. In Gröden, und zwar beim spektakulären Abflug von Matthias Mayer in der Abfahrt im Dezember 2015, war der Airbag erstmals in einem Weltcup-Rennen ausgelöst worden. Der Kärntner brach sich bei dem Sturz dennoch mehrere Brustwirbel und musste lange aussetzen.

"Alles, was den Sport sicherer macht, finde ich eine gute Sache, nur vom Airbag bin ich noch nicht hundertprozentig überzeugt. Es gibt noch zu wenig Daten, wie es wirklich funktioniert", sagte Feuz. "Ich habe es nicht probiert", sagte der Norweger Kilde. "Ich finde auch, dass wir etwas für die Sicherheit tun sollten. Wenn es jeder verwenden muss, werde ich es natürlich auch verwenden, aber im Moment fühle ich mich wohl damit, wie ich Ski fahre."

Auch Franz will nicht

Auch Max Franz ist grundsätzlich kein Fan der Airbag-Weste. "Für mich ist das auch nichts. Ich bin einer, der gerne mit den Armen herumfuhrwerkt, das schränkt mich ein bisserl ein", meinte der Kärntner. Andere Fahrer vermuten wiederum aerodynamische Nachteile oder wollen Fehlauslösungen vermeiden. So ist weiterhin nur eine Minderheit damit unterwegs.

In welchem Ausmaß der Luftsack tatsächlich hilft, schwere Verletzungen zu vermeiden, ist bis heute nicht erwiesen. Das Funktionsprinzip ist jedenfalls wie folgt: Wenn ein Sensor erkennt, dass der Läufer die Kontrolle verliert und seine normale Position verlässt, pumpt sich der Airbag binnen Millisekunden auf und legt sich wie eine Schutzhülle um Nacken und Oberkörper. Laut Hersteller können mehr als 60 Prozent der Aufprallwucht absorbiert werden.

Der Einführung des Airbags im Ski-Weltcup war viel Entwicklungsarbeit vorausgegangen. Im Gegensatz zum Einsatz etwa im Motorsport besteht die Schwierigkeit im Skisport darin, zu erkennen, wann ein Rennfahrer die Kontrolle verliert und stürzt und wann er auf der Piste noch auf den Skiern bleiben kann. (sid, APA, 16.12.2018)