Köchinnen und Köche geben ihrem Gericht oft noch den letzten Schliff, indem sie es mit etwas Alkohol verfeinern. Ein Schuss Wein, Whisky, Madeira oder Rum wird beim Kochen und Backen häufig dazu verwendet, um einer Speise noch mehr Charakter oder Farbe zu verleihen. Zahlreiche Feinschmecker schwören auf ein Abrunden des Geschmacks mit Alkoholika: Vielen schmeckt das Risotto erst mit einem Schuss Weißwein so richtig gut. Oder wer kennt und liebt sie nicht, die traditionelle Bier-Marinade fürs Fleisch beim Grillen? Die Bolognese entfaltet für manche erst mit dem zugesetzten Rotwein ihr volles Aroma. Und mal ganz ehrlich: Käsefondue mundet doch wirklich am besten mit Weißwein und Kirschenschnaps. In der kalten Jahreszeit hat der Glühwein am Weihnachtsmarkt Saison und man fragt sich: Ist der Großteil des Alkohols in dem wärmenden Getränk schon verkocht?

Um die oft diskutierte Frage vom Alkoholgehalt in Speisen und Getränken beantworten zu können, muss man die Chemie dahinter verstehen.

Alkohol – chemische Grundlagen

Der umgangssprachlich als Alkohol bezeichnete Ethanol ist auch als Ethylalkohol, Spiritus oder Weingeist bekannt. Dabei handelt es sich um einen einwertigen Alkohol – das heißt einen Alkohol mit nur einer Hydroxylgruppe (OH-Gruppe) – mit der chemischen Formel C2H5OH. Reiner Alkohol ist farblos und leicht entzündlich, besitzt einen brennenden Geschmack und einen charakteristisch würzigen Geruch. Ethanol entsteht durch den Prozess der alkoholischen Gärung. Dabei bauen Mikroorganismen Kohlenhydrate wie Zucker unter Sauerstoffabschluss zu Ethanol und Kohlendioxid ab (Vergärung). Da Ethanol auch als Lösungsmittel fungiert und man große Mengen davon benötigt, wird er nicht nur durch Gärung, sondern auch durch technische Synthese hergestellt.

Ein Schuss Wein in die Bolognese sorgt für mehr Geschmack. Aber wie viel Alkohol bleibt erhalten?
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Alkohol beim Kochen: Wenige wissenschaftliche Studien

Es gibt nur wenige seriöse Studien, die sich mit dem Verdampfen von Alkohol beim Kochen beschäftigen. Zu diesem Thema werden nur wenige wissenschaftliche Publikationen aus renommierten Journalen häufig zitiert.

  • In einer Studie aus dem Jahr 1992¹ wurde anhand sechs verschiedener Rezepte untersucht, wie viel Alkohol beim Kochen im Essen verbleibt. Folgende Alkoholika wurden zum Zubereiten der Speisen verwendet: Burgunderwein, Sherry, Brandy, Creme de Cocoa und Grand Manier. Das Essen wurde nach Zugabe des Alkohols je nach Rezept unterschiedlich lang – von weniger als eine Minute bis zweieinhalb Stunden – geköchelt, flambiert, gebacken oder aufgekocht. Danach wurde der Restalkoholgehalt im Essen analysiert. Die Ergebnisse der Studie waren folgende: Bei einer kurzen Garzeit von unter einer Minute verblieben rund 83 bis 85 Prozent des zugegebenen Alkohols im Essen. Im Schmorbraten, der zweieinhalb Stunden vor sich hin köchelte, konnte ebenfalls Alkohol nachgewiesen werden, allerdings nur noch vier bis sechs Prozent der ursprünglich zugegebenen Menge. Bei überbackenen Austern waren nach 25 Minuten bei 191 Grad immerhin noch 41 bis 49 Prozent des Alkohols vorhanden.
  • Im Jahr 2011 wurde im Rahmen einer anderen Studie² ebenfalls der Restalkoholgehalt in verschiedenen Gerichten gemessen. Einem kalten Fischeintopf wurde Alkohol zugegeben, und nach 45-minütiger Kochzeit in einer zugedeckten Pfanne enthielt dieser noch 30 Prozent des zugegebenen Alkohols. Bei der Zubereitung eines Rindfleisch- und Hasengerichts wurde Rotwein der bereits kochenden Speise zugesetzt. Nach einer weiteren Stunde Kochens bei geschlossenem Deckel konnten noch fünf Prozent des beigemengten Alkohols nachgewiesen werden.
  • "Kochen mit Bier" ist der Titel einer Studie aus dem Jahr 2016³, in der der Ethanol-Gehalt in zehn verschiedenen Gerichten vor, während und nach der Zubereitung bestimmt wurde. Getestet wurden Vinaigrette, Palatschinken, Karottensuppe, gedämpfter Fisch, Spareribs, geschmortes Rind sowie Haferbrei, Roggenbrot und Weizenbrot – die drei zuletzt genannten enthalten durch Fermentation auch Alkohol. Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass während der Zubereitung mehr Alkohol als Wasser verloren ging und somit der Alkoholgehalt in den gekochten Speisen sank. Durch den Faktor der Kochzeit kann der Koch den Restalkoholgehalt im Essen beeinflussen, so eine Hauptaussage der Autoren – je länger ein Gericht kocht, umso mehr Alkohol geht verloren. Bemerkenswert war, dass in den fermentierten Speisen teilweise ein höherer Alkoholgehalt gemessen wurde als theoretisch darin enthalten sein sollten.
  • Eine Studie von 2017⁴ untersuchte, wie sich Alkohol beim Kochen eines flüssigen Gerichts verhält. Forscher aus Dänemark fügten zu 900 Milliliter Kalbsfonds 150 Milliliter Bier oder Wein hinzu und erhitzten die Mischung dann. Sie konnten unter anderem zeigen, dass die Konzentration von Alkohol im Essen schneller sinkt, wenn ein Deckel beim Kochen verwendet wird. Dieser darf aber nicht ganz geschlossen werden, so dass Dampf entweichen kann. Die Größe des verwendeten Kochtopfes hatte keinen Einfluss auf den Restalkoholgehalt. Auch bei diesen Versuchen waren nach der Kochzeit noch geringe Mengen an Alkohol in dem Fonds vorhanden.

Restalkohol verbleibt im Essen

Alle zitierten Studien konnten somit zeigen, dass definitiv noch Restalkohol im Essen verbleibt, auch nach langen Koch- oder Garzeiten. Wie viel das ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Klarerweise vom ursprünglich verwendeten Alkohol, der Menge, aber auch von der Zubereitungsart oder ob mit, ohne oder bei geöffnetem Deckel gekocht wurde.

Um sich besser vorstellen zu können, wie viel Alkohol nach dem Erhitzen zurückbleibt, hier ein konkretes Beispiel. Fügt man einem Gericht 100 Milliliter eines starken zwölfprozentigen Weins (und somit zwölf Milliliter reinen Alkohol) hinzu, köchelt es für zweieinhalb Stunden und teilt es anschließend auf vier gleich große Portionen auf, so gilt: Bei einem Restalkoholgehalt von vier Prozent des ursprünglich zugesetzten Alkohols würde für jeden 0,12 Milliliter reiner Alkohol im Essen übrigbleiben. Das entspricht einem Milliliter des Ausgangsweins und ist somit sehr wenig.

Alkohol in Glühwein und Co

Für Glühwein gilt dasselbe Prinzip wie für alle anderen Speisen und Getränke: Erhitzt man ihn auf knapp 80 Grad, so beginnt sich der darin enthaltene Alkohol zu verflüchtigen. Möchte man den Alkoholgehalt nicht zu stark reduzieren, sollte er somit nicht zu lange gekocht werden. Der durchschnittliche Alkoholgehalt von handelsüblichem Glühwein lag bei einem Test vom Verein für Konsumenteninformation auf Wiener Christkindlmärkten bei rund zehn Prozent⁵. Mit Glühwein & Co sollte man trotz des nicht allzu hohen Alkoholgehalts jedoch vorsichtig sein: Der Alkohol aus diesen Heißgetränken geht aufgrund des hohen Zuckergehalts und der Wärme schneller ins Blut über – ein Phänomen, das übrigens auch auf kohlensäurehaltige Getränke zutrifft Außerdem überdeckt bei süßen Getränken der Zucker den Alkoholgeschmack und verleitet dazu, mehr zu konsumieren.⁶,⁷,⁸ 

Fazit

Der Küchenmythos, dass Alkohol beim Kochen vollständig verdampft, stimmt laut aktuellem Wissensstand nicht. Auch nach längerem Erhitzen verbleibt Alkohol in geringer Konzentration im Essen. Bei der Frage, ob die verbleibende Restmenge an Alkohol im Essen problematisch ist oder nicht, kommt es auch darauf an, wer mit isst. Für trockene Alkoholiker stellt schon die geringste Menge an Alkohol die Gefahr eines Rückfalls dar. Auch Schwangere und Stillende achten oft penibel darauf, gar keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Dies sollte man bei der Zubereitung des Essens bedenken. Hier könnte alkoholfreier Wein eine Alternative sein, um den Geschmack trotzdem zu erzielen.

Bei der Frage, ob beim Kochen für Kinder gänzlich auf Alkohol verzichtet werden sollte oder nicht, scheiden sich oft die Geister. Während die einen meinen, dass minimale Mengen an Alkohol Kindern nicht schaden können, argumentieren die anderen, dass man junge Leute nicht schon "auf den Geschmack" bringen sollte. Oft verweigern Kinder auch von sich aus Speisen, denen Alkohol zugesetzt wurde, da sie den bitteren Geschmack nicht mögen.

Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, ob er für den ultimativen Genuss Alkohol zum Kochen verwenden möchte oder darauf verzichtet. Möchte man Alkohol meiden, so sollte man wissen: Auch in (reifen) Früchten und in Fruchtsäften kommt Ethanol ebenso vor wie in vielen Brotsorten oder Sauerkraut – allerdings nur in geringen Mengen. (Alexandra Schebesta, 19.12.2018)

Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und seit mehreren Jahren in der Wissenschaftskommunikation tätig. Als Projektleiterin bei Open Science betreut sie Projekte mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Sie ist eine der Bloggerinnen, die als "bESSERwisser" die Beiträge für den Hungry-for-Science-Blog von Open Science verfassen.

Mehr Beiträge finden Sie auf hungryforscience.at.

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