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In zwei großen epidemiologischen Studien, der "Swedish National Patient Registry" und "The Parkinson´s Progression Markers Initiative", konnte gezeigt werden, dass Menschen, bei denen vor Jahrzehnten der Blinddarm entfernt wurde, ein geringeres Parkinsonrisiko haben. Insgesamt wurden die Daten von fast 1,7 Millionen Menschen analysiert, davon hatten 551.647 Patienten keinen Blinddarm mehr.

Von jenen Probanden, die keinen Wurmfortsatz mehr hatten, erkrankten 644 an Parkinson. Das entspricht einer Rate von 1,6 Betroffenen pro 100.000 Patienten. Die Erkrankungsrate in der Gruppe mit Blinddarm war mit 1,98 pro 100.000 Menschen signifikant höher. Als Assoziationsstudie kann die Erhebung aber keine Kausalität nachweisen, betonen die Studienautoren.

Wie lässt sich der gefundene Zusammenhang dennoch erklären? Die Forscher fanden heraus, dass sich im Appendix vermiformis krankheitsauslösendes Alpha-Synuclein anhäuft, sowohl bei gesunden Menschen wie auch bei Parkinsonpatienten. Die daraus abgeleitete Hypothese: Dieses pathologische Alpha Synuclein wandert über den Nervus Vagus ins Gehirn ein und löst dort die Krankheit aus. Denn als mögliche Ursache der Parkinsonerkrankung wird schon länger die Ablagerung des Proteins Alpha-Synuclein in Nervenzellen vermutet. Es bilden sich sogenannte Lewy-Körperchen in den Nervenzellen, die vor allem aus Ablagerungen dieses Proteins bestehen und zum Absterben von Gehirnzellen führen.

Keine Empfehlung für vorsorgliche Blinddarm-OP

Das Fazit der beiden Studien: Der Blinddarm kann eine Rolle bei der Entwicklung von Morbus Parkinson spielen. Bei den an Parkinson erkrankten Menschen war in der Studie doppelt so viel monomeres Alpha-Synuclein im Blinddarm gefunden worden wie bei den gesunden Studienteilnehmern. Auffällig war auch, dass Parkinsonpatienten einen vierfach erhöhten Spiegel einer verkürzten Form des Alpha-Synuclein im Blinddarm aufwiesen.

"Die Schlussfolgerung zu ziehen, alle Menschen vorsorglich den Blinddarm zu entnehmen, wäre voreilig und gesundheitspolitisch nicht zu vertreten. Der Unterschied zwischen den Gruppen betrug in der Studie 0,38 Erkrankungsfälle pro 100.000 Menschen. Das bedeutet, man müsste 250.000 bis 300.000 Menschen vorsorglich operieren, um einem Patienten die Diagnose Parkinson zu ersparen", relativiert Günther Deuschl von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Da es sich um eine retrospektive Beobachtungsstudie handelt, sei zudem wissenschaftlich nicht nachweisbar, dass durch eine Blinddarm-OP Morbus Parkinson verhindert oder verzögert werden kann. Dazu müssten prospektive, randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien durchgeführt werden. (red, 18.12.2018)