Katzian: "Mit dem Kappl fangen lassen wir uns a net."

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Wien – In die von der Regierung für das kommende Jahr angekündigte Steuerreform könnte "eine klassische Kriegserklärung" an die Arbeitnehmer verpackt sein – nur würden diese das nicht gleich verstehen. Wenn es um "Sonderbestimmungen im Steuerrecht" geht, die im Sinne einer Vereinfachung gestrichen werden sollen, dann gehe es um Zungenbrecher wie Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian – wenn da die steuerliche Begünstigung wegfalle, könne das die bisherigen Bezieher über 1.500 Euro kosten.

"Wenn man einen Wickel mit uns will, braucht man nur die Ausnahmen im Steuerrecht zu streichen", sagt der Spitzengewerkschafter in breitem Wienerisch: "Weil: Mit dem Kappl fangen lassen wir uns a net." Es komme nicht infrage, dass sich die Arbeitnehmer die versprochene Entlastung der Arbeitnehmer quasi selber zahlen müssen.

Vereinfachungen auch für Unternehmer

Dabei sei die Gewerkschaft keineswegs gegen Vereinfachungen im Steuerrecht – und auch nicht gegen Steuererleichterungen für Unternehmer. Es komme eben darauf an, welche Wirkungen eine Steuererleichterung habe, etwa im Hinblick auf Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen. Anders bei der Senkung der Körperschaftsteuer: "Einer Maßnahme wie der Halbierung für nichtentnommene Gewinne fehlen wertschöpfungs- und beschäftigungssteigernde Effekte, da sie an den Gewinn und nicht an eine Investitionstätigkeit im Inland gebunden ist."

Katzian bilanzierte am Donnerstag das aus seiner Sicht für den ÖGB positiv gelaufene Jahr 2018: Über 150 Kollektivvertragsrunden habe es gegeben, vielfach gab es Abschlüsse, die nicht nur deutliche finanzielle Effekte, sondern vor allem auch Verbesserungen im Rahmenrecht gebracht haben.

Verbesserungen im Kollektivvertrag

Dazu zählen neben freien Tagen für persönliche Erledigungen oder einer besseren Anrechnung von Karenzzeiten auch die Ausgestaltungen, die es für die von der türkis-blauen Koalition überfallsartig beschlossene Neuregelung des Arbeitszeitrechts gab, die den Zwölfstundentag in Ausnahmefällen ermöglicht. "Der Kollektivvertrag ist heute wichtiger denn je", predigt der Präsident – und verweist darauf, dass das auch von den Arbeitnehmern so gesehen wird: Die meisten Teilgewerkschaften haben im vergangenen Jahr an Mitgliedern zugelegt.

Ein großer Brocken ist die Anrechnung von Karenzzeiten für weitere Ansprüche (etwa Vorrückungen oder Urlaub) – das sei zwar seit 2011 in vielen Kollektivverträgen verankert worden, noch seien aber 450.000 weibliche Beschäftigte (rund 44 Prozent aller Arbeitnehmerinnen) noch nicht von entsprechenden Regelungen erfasst. So komme es zu der unbefriedigenden Situation, dass die Koalition zwar entsprechende gesetzliche Regelungen ankündige, diese aber von der Gewerkschaft weiterhin Branche für Branche erstritten werden müssen – wobei jeder Erfolg im Rahmenrecht von Unternehmerseite bei den finanziellen Abschlüssen gegengerechnet werde.

Mehr Geld für Pflegeberufe

Die nächste schwierige Runde erwartet Katzian bei den KV-Verhandlungen für die sozialen Dienste. Wenn man das Jahr 2019 zum Jahr der Pflege ausrufe, dann müsse man auch dafür bezahlen. Katzian: "Es reicht nicht, Leute zu suchen, die ein starkes soziales Herz haben. Sie brauchen auch ordentliche Arbeitsbedingungen."

Politisch nimmt Katzian das Mantra seines Vorvorgängers Anton Benya auf: Der ÖGB werde der Regierung "auf die Finger schauen".

Probleme der Sozialversicherung

Vor allem gelte das bei den ab April vorgesehenen Zusammenlegungen der Sozialversicherungsträger. Dieser größte Fusionsprozess des Landes werde an die Wand gefahren – und Katzian befürchtet bereits, dass der Gewerkschaft vorgeworfen werde, dass sie die Reform blockiere.

Die Probleme entstünden aber nicht dadurch, dass sie vom ÖGB vorhergesehen worden seien. Deshalb werde man ein Tagebuch aller Probleme führen und veröffentlichen, "nicht, dass man dann sagt: Warum habt ihr denn nicht früher was gesagt?" Die von der Regierung geschaffenen Probleme lasse sich der ÖGB nicht in die Schuhe schieben, sagt dessen Präsident.

Und dann bietet er noch einmal sozialpartnerschaftliche Zusammenarbeit an, mit einem fast philosophischen Ansatz: "Am Ende des Tages geht es um ein gutes Leben. Für dieses gute Leben braucht es faire Löhne und Gehälter, Mitbestimmung, Demokratie und ordentliche Arbeitszeiten, die nicht krankmachen. Das treiben wir voran!" (Conrad Seidl, 27.12.2018)