Die Regierung hat ein turbulentes Jahr hinter sich gebracht. Einiges wurde angestoßen, doch ein echter Reformturbo harrt seiner Zündung, sieht man einmal von der fragwürdigen Fokussierung auf das Ausländerthema ab. Vor allem bei der Ansage von Sebastian Kurz, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts abzusichern, fehlt eine gesamtstaatliche Perspektive. In der Frage geht es um weit mehr als die Höhe der Körperschaftsteuer oder die Dauer einer Umweltverträglichkeitsprüfung.

Klarerweise helfen derartige Maßnahmen den Unternehmen, um sich im globalen Konkurrenzkampf durchsetzen zu können. Doch letztlich werden die Innovationsfähigkeit der Betriebe, die Qualifikation ihrer Mitarbeiter und die richtigen Investitionen der öffentlichen Hand darüber entscheiden, wer sich behaupten kann. In diesen Bereichen hapert es gewaltig, und die Regierung hat wenig unternommen, um das zu ändern.

Geradezu als Themenverfehlung muss die letzte Schulreform bezeichnet werden. Während der Bereich Bildung der Schlüssel für die Standortqualität darstellt, gibt sich das Land mit maximal durchschnittlichen Schulergebnissen zufrieden. Massive Defizite in elementaren Bereichen wie Lesen, Schreiben und Rechnen kann sich ein moderner Industriestaat einfach nicht mehr leisten.

Der Hinweis auf den Migrationshintergrund schlecht gebildeter Kinder ist dabei – erstens – nur die halbe Wahrheit und – zweitens – schon gar keine Lösung. Ad 1): Die Mehrheit der Schüler, denen zentrale Kompetenzen fehlen, stammt aus Österreich. Ad 2): Wenn die Regierung keine Integrationsoffensive startet, produziert sie mit Garantie jene Mindestsicherungsbezieher, die sie angeblich so gern in eine Beschäftigung bringen würde.

Recht dürftig fallen zudem die Bemühungen in der Elementarpädagogik oder bei Ganztagsschulen aus. Am Geld liegt es nicht. Die Aufwendungen pro Schüler sind in wenigen Ländern höher als in Österreich. Das Problem: Die Nettounterrichtszeit der Lehrer ist gering, die Milliarden versickern in einer ineffizienten Schuladministration. Parteipolitik und föderale Machterhaltung stehen über Bildung und Begabtenförderung. Nebst Humankapital wird so auch noch Chancengerechtigkeit verspielt.

Nicht viel besser sieht es beim zweiten großen Hebel für eine zukunftsorientierte Veränderung des Landes aus, auch wenn es hier ein paar richtige Ansätze gibt. Die österreichischen Universitäten sind finanziell bescheiden ausgestattet und – mit wenigen Ausnahmen – Mittelmaß. Das Ergebnis: Das Land verliert bessere Forscher, als es anzieht, und hält bei Exzellenz international nicht mit.

Dritter wesentlicher Aspekt einer offensiven Standortpolitik: Um Spielräume für Zukunftsinvestitionen zu schaffen, müssen zentrale Ausgabenbereiche durchforstet werden: Verwaltung, Förderungen, Gesundheits- und Pensionssystem stehen hier ganz oben auf der Liste. Abseits der Kassenreform – die lediglich einen Teilbereich abdeckt – sind die Ergebnisse von Türkis-Blau bisher enttäuschend.

Das ist auch der Grund, warum der Spielraum für die Steuerreform trotz sprudelnder Einnahmen nicht allzu groß ist. Abgaben haben erhebliche Standortrelevanz, insbesondere in einem Hochlohnland. Von 100 Euro Arbeitskosten werden 47 von der öffentlichen Hand abgezwackt. Doch auch bei der Entlastung spuckt die Regierung mittlerweile kleinere Töne. (Andreas Schnauder, 3.1.2019)