Die Wahl der richtigen Schule für das Kind wird für die Eltern oft zur Qual.

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In Graz will man in zwei Tagen durch sein. In Wien und Niederösterreich nimmt man sich gleich zwei Wochen Zeit. In Klagenfurt geht es kurz und schmerzlos: Am Samstag, den 23. Februar sollen künftige Taferlklassler samt ihren Eltern hier zur Schuleinschreibung vorbeikommen. Bevor es so weit ist, wird meist einiges an Hirnschmalz in die Entscheidungsfindung gelegt.

Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien glaubt: "Viele Eltern nehmen an, es gibt die einzig richtige Schule für ihr Kind." Doch sie könnten beruhigt sein: "Es gibt viele Schulen, die für das Kind gut sind." Auch im öffentlichen Bereich. Der Rat der Expertin: nicht übertreiben. Schauen, wie fröhlich die Kinder in der Schule sind. Bewerten, ob das Schulprofil (etwa Fremdsprachen- oder Integrationsschwerpunkt) gefällt, mit der Leitung sprechen. Und wenn die Entscheidung gefallen ist: "Dann ist es wichtig, guten Kontakt zur Schule zu halten", sagt Spiel.

  • Früh gesucht, ehest angemeldet? Die Sorge über die schulische Zukunft des Sprösslings treibt so manche Eltern sehr früh an. Wann soll die Suche nach der perfekten Schule starten? Wenn das Kind drei Jahre alt ist? Das sei viel zu früh, sagt Belgiz Tatlilioglu von der Schulinfo Wien, der Beratungsstelle des Wiener Stadtschulrates. "Ein Jahr vor Schulbeginn sollten Eltern beginnen, Schulen zu besuchen, um sich ein Bild machen zu können: Wie sieht das Schulgebäude aus? Wie sind die Klassenräume gestaltet? Und vor allem sollte man sich das Lehrpersonal natürlich genau ansehen." Sie räumt mit einem oft geäußerten Verdacht auf: Wer zuerst kommt, erhält den Platz. "Es spielt keine Rolle, ob man Erster, Zweiter oder Vierzigster war." Alle Anmeldungen würden gesammelt und dann gemeinsam gesichtet. Eine Reihung erfolgt nach gewissen Kriterien. Dazu zählt, ob es Geschwisterkinder an der Schule gibt oder wie nahe man wohnt. Bei Ganztagsschulen ist auch die Frage entscheidend, ob die Eltern berufstätig sind.
  • Ganztags, halbtags oder Hort? Österreich ist eines der letzten Länder mit einer Halbtagsschule. Experten sprechen lange schon von einem Auslaufmodell. Trotzdem wird daran festgehalten. Dementsprechend ist das Ganztagsschulangebot noch ausbaufähig. Die Halbtagsschule bedingt eine Nachmittagsbetreuung. Daher gehört auch oft der Hort mitgedacht. "Schulen, die ganztägig sind oder Kursangebote anbieten, haben gewisse Vorteile", sagt Gerhard Patzner. Der "Schulprofiler" hilft Eltern bei der Schulsuche. Seine Beratung dauert in der Regel eine Stunde. Ziel ist es, drei Schulvorschläge zu erarbeiten. Horte sieht er kritisch, da sie "leider noch immer die Tendenz zur 'Aufbewahrung' haben". Wichtig seien auch Fragen wie: Gibt es Hausübungen? Werden diese dann am Nachmittag erledigt? Oder erst später zu Hause?
  • NMS oder AHS? Bildungsnahen Eltern gilt diese Entscheidung als die Weichenstellung für die Zukunft ihrer Kinder – entsprechend aufgeladen sind die Diskussionen darüber, ob es nach der Volksschule ans Gymnasium oder die Neue Mittelschule (NMS) geht. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will mit dem "Talentecheck" ein geeignetes Mittel zur Stressreduktion gefunden haben. Bildungspsychologin Christiane Spiel kann einer solchen Objektivierung einiges abgewinnen. Allerdings: "Wenn das dann entscheidend wäre für den weiteren Bildungsweg eines Kindes, wäre das ein Problem." Nicht nur wegen der punktuellen Feststellung seiner Fähigkeiten, sondern "weil eine Prognose über die Leistungsentwicklung in diesem Alter kaum möglich ist". Michael Bruneforth, der im Bundesinstitut für Bildungsforschung an der Entwicklung des Talentechecks arbeitet, ist sich bewusst: "Man kann einem Kind in diesen 45 Testminuten natürlich nicht in den Kopf schauen. Damit soll nur das Wissen über dieses Kind ergänzt werden." Grundsätzlich gilt: Auch wer eine NMS besucht, kann später an einer berufsbildenden höheren Schule oder einem Oberstufenrealgymnasium abschließen. Der Wechsel von NMS in die AHS-Langform ist schwieriger: Eine zweite lebende Fremdsprache oder fehlende Lateinkenntnisse sind später schwer aufzuholen. Aber auch Schüler, die schon früher den Weg ins Gymnasium einschlagen, können bei übermotivierten Eltern Gefahr laufen, überfordert zu sein. Lernzeiten von bis zu 60 Stunden pro Woche hat Spiel in einer Studie mit jungen Gymnasiasten erhoben.
  • Mehrstufenklasse oder nicht? Für Eltern, die einen reformpädagogischen Ansatz in der Volksschule bevorzugen, könne eine Mehrstufenklasse ein "Indikator" sein, sagt Schulprofiler Patzner. Aber: "Das ist nicht die Wundertüte." Worauf man außer auf das Lehrpersonal achten sollte? Ob es zwei Räume für diese Klasse gibt, also genügend Platz, und wie lange zwei Lehrkräfte in der Klasse stehen. Bei den "normalen Klassen" würde er das Gespräch mit der Lehrkraft suchen. Da bekomme man schnell ein Gefühl, welchen Anspruch es an die Kinder gibt – also ob dieser etwa leistungsorientiert ist oder das Augenmerk auf die Kinder gerichtet ist, die mehr Zuwendung brauchen.
  • Staat oder privat? Tatsache ist: Österreichweit betrachtet besucht jeder zehnte Schüler eine Privatschule. In Wien ist es sogar fast jeder fünfte. Die Hoffnung der Eltern: maximale Förderung des Kindes in bestmöglicher Atmosphäre. "Es gibt wirklich sehr gute öffentliche Schulen", sagt Schulprofiler Patzner. Aber bei den Privaten könne der gewünschte Schulplatz früher gesichert werden: "Viele Eltern haben Angst, dass ihr Kind im öffentlichen System keinen Platz in der gewünschten Schule bekommt und man zum Ausweichen gezwungen wird." So gesehen sei privat eine sichere Variante. Manche Eltern würden deshalb versuchen, in eine öffentliche Wunschschule zu kommen, sich aber gleichzeitig die private Option möglichst lange offenzuhalten. Ein Argument, das hierbei ständig auftaucht, ist die soziale Durchmischung in den Klassen. Das Thema Migrationshintergrund werde "leider häufig auf die Sprachkenntnisse verkürzt", sagt Patzner. Die allein seien nicht das Problem. Komme das Kind aber auch noch aus einer bildungsfernen, sozial-ökonomisch niedrigen Schicht, so seien die "Voraussetzungen in unserem System leider eher schlecht". Patzner: "Es gibt Schulen, die das großartig machen. Die können dann selbstverständlich auch empfohlen werden."
  • Was, wenn's schiefgeht? "Wenn Eltern das Gefühl haben, es läuft nicht gut, dem Kind geht es in der Schule nicht gut oder es ist gar Mobbingopfer, und Rücksprachen in der Schule hatten keinen positiven Effekt – dann unbedingt die Schule wechseln, egal wann!", rät Bildungsexpertin Christiane Spiel. Die meisten bleiben dem einmal eingeschlagenen Weg jedoch treu, weiß man im Bildungsministerium. Patzner rät zu einem Gespräch mit der Lehrkraft. Da bekomme man am schnellsten eine Rückmeldung. Gut sei es auch, mit einer anderen, neuen Schule den Kontakt aufzunehmen, zu schauen, ob dort ein Platz frei ist. (Peter Mayr, Karin Riss, 7.1.2019)