Komodowarane sind primär Einzelgänger. Konflikte mit Artgenossen werden mit ganzem Körpereinsatz ausgetragen.

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Der Nationalpark hat auch wunderschöne Strände zu bieten. Wie hier und ...

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... hier zu sehen ist.

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Jeden Morgen wandern die Warane ins Hochland, um sich von der Sonne erwärmen zu lassen.

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Rot sehen sie nicht gern, die Drachen auf Komodo. Die Farbe würde die Tiere reizen, behaupten die Einheimischen. Doch was tragen die wenigen Bewohner der kargen Insel mit den vielen Kegel- und Faltenbergen? Bevorzugt rote Kleidung.

Alle sagen auf Komodo Drache, obwohl Waran oder Varanus komodoensis richtig wäre. Große Echsen gibt es fast überall in der tropischen Welt, also müssen ein paar Mythen her – vielleicht ist ja die Angriffslust der Warane, sobald sie Rot sehen, auch einer. Gutes Marketing ist jedenfalls kein Fremdwort auf der indonesischen Insel, die eine gute Flugstunde östlich von Bali liegt. "Fast alle hier leben von den Drachen, ohne sie würde kein Hahn nach uns krähen", sagt Gonsa. Der Nationalparkguide führt gerade eine vierköpfige Gruppe über die Insel.

Sie fressen alles

Komodo und ihre vier Schwesterinseln sind die einzigen Orte auf der Welt, an denen die größten Echsen der Erde noch in freier Wildbahn leben, streng geschützt natürlich. Jede Exkursion beginnt in Labuan Bajo, einem Städtchen auf der Nachbarinsel Flores. Die Bewohner kennen Warane nur vom Hörensagen, denn sie kennenzulernen würde sie rund einen Monatslohn kosten. Mindestens 200 Euro muss man pro Kopf investieren, um Drachen zu sehen: Bootsfahrt, Nationalparkeintritt, geführte Tour. Bald soll es doppelt so teuer werden. Individuelle Besuche sind verboten und wären wohl auch zu gefährlich. Die Drachen fressen alles, was ihnen in den Weg kommt: Büffel, Schweine, ihre eigenen Jungen. 25 Kilogramm Fleisch verputzen die Tiere pro Tag.

Gonsa führt die Gruppe im Gänsemarsch an, Hamad lernt von ihm, sichert den Tross nach hinten ab. Beide tragen einen mannshohen, massiven Stock aus Tamarindenholz mit einer Gabelung am Ende bei sich. "Damit wollt ihr einen Drachen in Schach halten?", fragt ein Amerikaner, der als Schutz schwerere Kaliber erwartet hat. Komodowarane werden bis zu drei Meter lang und mehr als 70 Kilogramm schwer. "Die Tiere kennen unseren Kukun. Sie haben Respekt vor diesem Stock", antwortet Gonsa und rammt das V des Kukun in die staubige Erde. "Wenn ich das mache, fauchen die Warane zwar, aber sie greifen nicht an. Eine Pistole müsste ich benutzen, weil sie der Waran nicht kennt."

Jeder, der auf der Insel zu den Drachen geht, führt einen Kukun mit sich, seit Generationen. "Es gibt immer wieder gefährliche Situationen, aber in der Regel gehen sich Drache und Mensch aus dem Weg", meint Gonsa. Der letzte Todesfall durch einen Waran wird in der Statistik 1974 geführt: ein Schweizer, der sich absonderte.

Inseln ohne Besucher

Die Gruppe ist seit einer halben Stunde auf der Pirsch. Von den auf Komodo lebenden rund 1.100 Waranen hat sich bisher noch keiner blicken lassen. Auf den anderen vier Inseln soll es insgesamt sogar 2.100 Exemplare geben, doch drei dieser Inseln dürfen nicht betreten werden. Besucher sind neben Komodo nur auf Rinca zugelassen. "Wir werden schon noch einen sehen", verspricht Gonsa. Warane seien schließlich tagaktiv, nachts schlafen sie in Höhlen.

Die meisten der 50.000 jährlichen Besucher von Komodo kommen mit dem Kreuzfahrtschiff. "Von den großen Schiffen gehen bis zu 2.000 Menschen an Land", erzählt Gonsa. Und wenn sie alle auf einmal über die Insel trampeln, zeigen sich die Tiere auf keinen Fall. "Also treiben wir mit unseren Kukun vier, fünf, manchmal sechs Warane zu einem großen runden Platz und kesseln sie dort ein, bis die Passagiere dort in kleineren Gruppen ankommen." Ungefähr ein Dutzend Einwohner der Insel sind nötig, um die Tiere mit ihren Kukuns in Schach zu halten. Irgendwann treffen dann die Kreuzfahrtpassagiere ein und drehen in einem Defiliermarsch Runden um den Platz, schießen ein paar Fotos und spazieren wieder zurück in Richtung Schiff.

Tödlicher Schock

"Schaut, dort hinten", flüstert Gonsa auf einmal. Alles, was die Gruppe sieht, ist ein Wasserbüffel. "Das ist die Leibspeise der Drachen. Die Chancen stehen also gut, dass wir auch einen Waran zu sehen bekommen." Warane können Beutetiere mit dem Wind in Entfernungen von bis zu sechs Kilometern riechen. Wenn sie einen Büffel ausfindig gemacht haben, stehen sie vor einem Berg von Tier. Doch die Warane erlegen die mächtigen Büffel nicht, sie verletzen sie nur. Im Unterkiefer produzieren die Echsen ein Gift, das unter anderem die Blutgerinnung verringert und einen Schock verursacht. In fünf, spätestens sechs Tagen ist der Büffel tot.

Die Gruppe blickt mitleidig auf den Büffel, einen Waran hat sie noch immer nicht zu Gesicht bekommen. Plötzlich rammt Hamad seinen Kukun in den Boden. Ein Waran hat sich von hinten an die Gruppe herangeschlichen, der Stockeinsatz lässt ihn innehalten. Die Echse faucht missmutig, lässt dennoch eine flüchtige Beobachtung zu und verschwindet danach mit schwankendem Gang hinter einem Busch. (Jochen Müssig, 11.1.2019)